Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Reisezentrum zu: Himmel hilf!

Wuppertal · In unserer bomfortionellen Bahnhofshalle am Döppersberg gab es bisher gleich hinter dem Klavier ein Reisezentrum der Deutschen Bahn. Hier konnte man sich erkundigen, wie man am schnellsten irgendwo nicht hinkommt und Fahrkarten für Züge kaufen, die später gar nicht oder in umgekehrter Wagenreihenfolge verkehren.

Die Graffiti-Krippe auf dem Laurentiusplatz schreddert Sorgen.

Foto: Wuppertaler Rundschau/rt

Das kann man theoretisch natürlich auch online machen. Aber wer zum Beispiel mal versucht hat, sechs Personen mit E-Bikes inklusive zweimal Umsteigen über die Schiene irgendwo in den Süden der Republik zu bringen, musste entweder eine Woche Urlaub nehmen, um sieben Tage Radurlaub zu buchen, oder doch besser direkt ins Reisezentrum gehen. Von älteren Menschen, die Computer immer noch für eine Geflügelrasse halten, wollen wir dabei gar nicht reden. Die sind auf das Reisezentrum angewiesen.

Passend dazu hat die Bahn das Reisezentrum im Zuge ihrer bundesweiten Service-Defensive voriges Wochenende für immer geschlossen. Begründung: Das Verkaufen von Fahrscheinen für Züge sei in Wuppertal nicht mehr wirtschaftlich. Das könnte natürlich daran liegen, dass kaum welche hier ankommen – und nächstes Jahr wegen unermesslicher Bauarbeiten monatelang überwiegend überhaupt keine mehr fahren. Eher nicht liegen kann es aber an der Nachfrage, weil im Reisezentrum immer ordentlich viele Menschen Warteschlangen in der Länge einer Boa Constrictor bildeten.

von Roderich Trapp

Foto: Max Höllwarth

Wenn mit denen nicht genug Umsatz germacht wurde, könnte das auch davon kommen, dass die Servicekräfte mit dem Internet-Buchungssystem der Bahn nicht zurechtgekommen sind, in dem Kunden jetzt ihre Fahrkarten und Reiseverbindungen ganz einfach online kaufen sollen. Das ist jedenfalls die Empfehlung auf einem Aushang am geschlossenen Reisezentrum in der Bahnhofshalle, der für sonstige Ratlose und in Wuppertal Gestrandete noch einen besonders guten Tipp parat hat: „Gerne unterstützen Sie auch unsere Reiseberatenden in dem benachbarten DB Reisezentrum Düsseldorf Hbf.“

Nun ist ja bekannt, dass die neue Bahnchefin Evelyn Palla aus Südtirol stammt. Deshalb hat sie wahrscheinlich keine konkreten Vorstellungen von den geographischen Verhältnissen im Westen Deutschlands und den Zettel in der Annahme geschrieben, Wuppertal wäre ein Ortsteil von Düsseldorf und das dortige Reisezentrum vom Döppersberg aus bestimmt in wenigen Minuten mit dieser berühmten Schwebebahn zu erreichen.

Intime Kenner unserer Region werden den Fehler unmittelbar identifizieren und bei „benachbart“ schmunzeln müssen. Wobei der Patzer auch nicht weiter schlimm ist, weil in Düsseldorf laut dem Aushang „Reiseberatende“ arbeiten, was im Wortsinn bedeutet, dass dort nicht Menschen, sondern Reisen beraten werden. Der Besuch dort würde einen also auch nicht weiter bringen.

Die Schließung ist insgesamt ein Unding, an dem auch die dollsten politischen Bemühungen nichts ändern konnten. Deshalb werde ich jetzt im Sinne Wuppertals und seiner Bahnkunden Folgendes unternehmen: Mitten auf dem Laurentiusplatz steht gerade wieder die beliebte Graffiti-Krippe, die diesmal echt ungewöhnlich ist. Da befindet sich vorne nämlich ein Schlitz dran, in den man Zettel reinstecken kann, auf die man vorher seine Sorgen, Nöte, unerfüllten Hoffnungen und Bedrückungen geschrieben hat. Sie werden dann Heiligabend geschreddert, als Stroh für die Jesus-Krippe benutzt und auf diese Weise dem Herrn im Himmel zur weiteren Bearbeitung an die Hand gegeben.

Da werfe ich Montag als letzten Versuch, die Schließung des Reisezentrums rückgängig zu machen, die Seite mit diesem Beitrag ein. Denn aus zahllosen Zugfahrten habe ich längst eines gelernt: Wenn man mit der Bahn ans Ziel kommen will, kann einem sowieso nur der liebe Gott helfen. In diesem Sinne

Schöne Weihnachten!