Kommentar zur Schließung des DB-Reisezentrums Eine sagenhafte Unverschämtheit

Wuppertal · Wenn man von links, rechts, oben und unten unter Beschuss steht, sollte man den Ball möglichst flach halten. Die Deutsche Bahn, an der es eigentlich nichts anderes als Kritik gibt, geht anders mit dem Thema um. Ihre neue (nicht unumstrittene) Werbe-Kampagne „Boah, Bahn!“ setzt stark auf Humor.

Ein ICE in Wuppertal. Tickets gibt es dafürbald nicht mehr vor Ort im Hauptbahnhof.

Foto: Christoph Petersen

Damit reißt das bundeseigene Verkehrsunternehmen aber nicht viel bei allen, die sich angesichts der Hartleibigkeit der DB in Sachen „Aus und fertig!“ des Reisezentrums im Wuppertaler Hauptbahnhof aufregen, einsetzen – und immer noch auf ein irgendwie geartetes Einlenken hoffen.

Es ist kaum vorstellbar, dass eine Bahnhofsbuchhandlung personell und informationstechnisch leisten kann, was vernünftiges Bahnpersonal im Idealfall drauf hat. Wenn es denn überhaupt dazu kommt, dass eines Tages in der Bahnhofsbuchhandlung nicht nur ÖPNV-Tickets, sondern auch Fernreisefahrscheine an den Mann oder die Frau gebracht werden.

Stefan Seitz.

Foto: Bettina Osswald

Wie kann es sein, dass ein Unternehmen, von dem man weiß, dass alle Nas‘ lang etwas nicht funktioniert, in Sachen der Schließung damit argumentiert, dass neun von zehn Fernreise-Tickets bereits online gekauft würden? Das bezweifelt sicher niemand. Aber was, wenn dann – und dafür gibt es zahlreiche Beispiele – trotz „sagenhafter“ Online-App-Kapazitäten doch wieder einmal alles Mögliche nicht funktioniert? Löst eine App ihre eigenen Probleme? Lesen Sie gerne einen ideal dazu passenden Leserbrief auf unserer Seite 2: Beim dort geschilderten Erlebnis und dem Ratschlag, was beim App-Ausfall und ohne lokales Reisezentrum vor Ort zu tun sei, staunt man nicht schlecht.

Leserbrief Nr. 2 zum Thema ist auch ein kluger Beitrag: Wenn man Menschen einspart, die beraten, Bescheid wissen, helfen und Probleme lösen können, gelingt die „sagenhafte“ Mobilitätswende garantiert nicht. Denn wenn ich die Erzählungen von Menschen und ihren Bahn-Erlebnissen höre (auch von echten Digital-Füchsen!), dann nehme ich doch lieber mein Auto. Und zwar immer.

Was ich in diesem Zusammenhang gar nicht erst aufmachen will, ist das Fass mit all den Menschen, die kein Auto und deswegen keine Ausweichmöglichkeit haben – oder das Thema von eventuell digital-ängstlichen Senioren.

Sagen wir es so: Die Konzern-Denke, die hinter der offenbar nicht mehr zu ändernden Schließung des DB-Reisezentrums zum 14. Dezember in einer Großstadt wie Wuppertal (der Nr. 17 in Deutschland) steht, ist schlicht eine sagenhafte Unverschämtheit.