Kommentar zum Ende der Amtszeit von OB Schneidewind Der richtige Mann am falschen Platz

Wuppertal · Seine Amtszeit müsse man sich wie einen Marathon vorstellen, sagte der passionierte Langstreckenläufer Uwe Schneidewind, als er 100 Tage nach einem in der öffentlichen Wahrnehmung vorsichtig gesagt sehr diskreten Start ein Zukunftsprogramm unter dem Titel „Fokus Wuppertal“ präsentierte.

Die Amtszeit von OB Uwe Schneidewind ist beendet.

Foto: Jugendfeuerwehr Wuppertal

Er sei für ziemlich genau so viele Stunden gewählt worden, wie ein Marathon Meter hat. Und da sei er dann gerade erst bei Kilometer 2,4. „Als Marathonläufer kann ich Ihnen sagen, dass die, die nach 2,4 Kilometern vorne liegen, selten die sind, die am Ende gewinnen“, so seine durchaus selbstbewusste Reaktion auf die überall in der Stadt immer lautender werden Frage „Wo ist Uwe?“. Unter diesem Schlagwort hatte sich der grüne Rückenwind, der ihn ins Amt wehte, blitzschnell in heftigen Gegenwind verwandelt.

Jetzt ist Schneidewind ins Ziel eingelaufen, gewonnen hat er dabei sicher nicht, aber zwischendurch garantiert ähnlich gelitten und auf die Zähne beißen müssen wie beim Marathon. Um im Bild zu bleiben: Das lag ganz wesentlich daran, dass Schneidewind nicht genug trainiert hatte – und auch nicht auf ein Team bauen konnte, das ihn mitzieht ...

Der Schock, den die sich gerne weit jenseits aller rationalen Kriterien und Diskussionskultur abspielende kommunalpolitische Realität dem Professor und analytischen Kopf Uwe Schneidewind versetzte, war groß. Schon seine Startvoraussetzungen als Grün-Schwarzer-Gemeinschaftskandidat ohne Ratsmehrheit im Rücken waren denkbar ungünstig. Erst Recht für jemand, der mit der Vision antritt, fortschrittliche ökologische Stadtentwicklungsideen im Reallabor Wuppertal Wirklichkeit werden zu lassen.

Es kamen dann hinzu: das geräuschvolle Platzen des ihn nie wirklich tragenden politischen Kernbündnisses. Der von ihm nicht begonnene, aber fast seine gesamte Amtszeit prägende Streit mit dem mächtigen Ex-Kämmerer und späteren CDU-Vorsitzenden Johannes Slawig. Und die insgesamt daraus resultierende undankbare Rolle des weitgehend machtlosen Prügelknaben, in die er sukzessive vom fast kompletten Stadtrat gedrängt wurde. Dass er am Ende auf ihn selbst zurückgehende, absolut sinnvolle Beschlussvorlagen so in Umlauf brachte, dass sie nicht auf ihn zurückgeführt werden konnten, weil sie sonst automatisch zerrissen worden wären, spricht Bände.

Es wäre vielleicht anders gelaufen, wenn Schneidewind sein OB-Büro klug besetzt hätte. In dieser Rathaus-Schaltzentrale der Macht braucht es erfahrene Integrationsfiguren mit richtig guten Drähten in Richtung Politik und Verwaltung – insbesondere, wenn der Chef ein absoluter Neuling ist. Gemessen am Erfolg hatte Schneidewind bei der Besetzung kein glückliches Händchen. Stadtdirektor Matthias Nocke bezeichnete das OB-Büro im Wahlkampf unlängst gar als „Raumschiff“.

Hinzu kam, dass Schneidewind für die Rolle des leutseligen Oberbürgermeisters zum Anfassen nicht gemacht ist. Dass er nicht ansprechbar, nicht erreichbar gewesen sei, wurde ihm oft vorgeworfen. Von Bürgern wie auch von Politikern in Stadtbezirken. Durch seinen Amtsantritt auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie blieb ihm unabhängig davon die Möglichkeit verwehrt, bei großen Auftritten die Wuppertaler als glänzender Redner „live“ von seinen Ideen zu begeistern. So, wie das einst dem ebenfalls nicht für Feuerwehrfeste und Bierzeltgarnituren geeigneten und trotzdem durchaus populären Hans Kremendahl gelungen war.

Unter diesen Voraussetzungen ist es nicht überraschend, dass die Schneidewind-Bilanz auf der Habenseite überschaubar bleibt. Als Vorsitzender der Beigeordneten-Auswahlkommission hat er sehr entschlossen darauf hingewirkt, dass im Wuppertaler Verwaltungsvorstand jetzt drei Frauen sind. Bei seinem Antritt betrug ihre Zahl exakt Null – und das seit 15 Jahren. Dass die Bewerbung um die Bundesgartenschau 2031 (die übrigens nicht er, sondern seine Vorgänger initiiert hatten) erfolgreich war, hing maßgeblich mit Schneidewinds entschlossenem Engagement für das Projekt zusammen, an dem sich auch der Streit mit BUGA-Gegner Slawig entzündete. Und hoffentlich für immer bleiben werden auch 80 Meter Fußgängerzone am Laurentiusplatz, die zumindest Elberfeld ein ganz kleines bisschen an der Verkehrswende im Schneidewindschen Sinne schnuppern haben lassen.

Überregional wurde Schneidewind völlig anders wahrgenommen, war durch seine Mutation vom Wissenschaftler mit „Club of Rome“-Lorbeeren zum Grünen-Oberbürgermeister einer Großstadt eine Art Medienstar und gefragter Interviewpartner. Nicht umsonst wurde er unmittelbar nach seiner Wahl auf Bundesebene bei den damals laufenden Koalitionsverhandlungen der späteren Ampelregierung auch als potenzieller Staatssekretär gehandelt. Schneidewind entschied sich für Wuppertal.

Aus heutiger Sicht wäre er mit seinen unbestrittenen außergewöhnlichen Fähigkeiten, seinem wissenschaftlichen Überblick und seiner ambitionierten Agenda in Berlin vielleicht deutlich besser aufgehoben gewesen. Dass Wuppertal sich so gar nicht auf ihn einlassen wollte, bleibt aus meiner Sicht eine vertane Chance.