Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Willkommen in Wuppertal-Bratwurst!
Wuppertal · Wegen Corona ist unser Dasein inzwischen dem von Hühnern in Käfighaltung nicht mehr unähnlich: Außer essen dürfen wir nichts mehr und schon gar nicht vor die Tür. Im Gegensatz zu Hühnchen, die keinen Computer haben, können wir aber immerhin noch virtuelle Ausflüge unternehmen. Viele Menschen gehen dazu dieser Tage auf Google Maps, um mal zu gucken, wo man denn hinfahren würde, wenn man es könnte.
Google Maps ist sozusagen die digitale Landkarte des weltumspannenden Internetkonzerns, auf der natürlich auch Wuppertal drauf ist. Der Name unserer schönen Stadt taucht auch alsbald auf, wenn man aus der Europa-Übersicht langsam nach Deutschland ranzoomt. Hat der Cyber-Tourist dann einen Kartenausschnitt gewählt, der ungefähr von Düsseldorf bis Hagen reicht, tauchen auch erste wichtige Wuppertaler Stadtteile als Schriftzug in der Kartendarstellung auf. Der Nutzer liest dann „Barmen“, „Katernberg“ und - „Bratwurst“!
Das dürfte virtuelle Besucher aus aller Welt faszinieren: Was mag es wohl sein, dieses so poetisch klingende Wuppertal-Bratwurst, das ausweislich der Karte irgendwo sanft eingebettet zwischen Mirker Hain und den Hochhäusern am Domagkweg liegt? Ist es ein pulsierendes Stadtteilzentrum, dessen Name Wuppertals geokulinarische Antwort auf Örtlichkeiten wie die Gemeinde Kuchen im Landkreis Göppingen, Krauthausen im Werratal oder den Ortsteil Hering im südhessischen Otzberg darstellt? Sollte man von Bratwurst aus ganz schnell in die Senfstraße fahren, die im Ostsee-Örtchen Schinkel liegt? Und vorher noch am Gabelpunkt vorbei, damit man die Bratwurst auch aufspießen kann? Fragen über Fragen ...
Klickt der Tourist auf den Ortsteil Bratwurst, verrät Google Maps ihm zwar, dass Bratwurst die Postleitzahl 42111 hat, gibt ihm aber leider keine nähere Erklärung zur Beschaffenheit und der Geschichte des Gebietes. Das wird ihn enttäuschen, weil Wuppertal-Bratwurst doch ganz offensichtlich eine weit über den Nahbereich herausragende Bedeutung haben muss. Schließlich stellt es sich im Kartenzusammenhang größentechnisch ähnlich prominent dar wie etwa Mettmann, was natürlich auch daran liegen könnte, dass beide mit Fleisch zu tun haben. Besucher aus dem englischsprachigen Raum werden auf jeden Fall unmittelbar vermuten, dass es sich bei Wuppertal-Bratwurst eindeutig um den Geburtsort der weltberühmten „German Bratwörst“ handeln muss, die auch in Übersee viele Freunde hat. Ich sehe bereits Texaner mt breitkrempigen Cowboyhüten über den Westfalenweg laufen und nach dem Bratwurst-Museum suchen, das man ja an einem solch historischen Ort unzweifelhaft vermuten darf.
Sollten Sie einen von denen treffen, dann müssen Sie ihm möglichst schonend Folgendes beibringen: Im 19. Jahrhundert gab es hier oben tatsächlich mal ein paar Häuser, die unter dem Namen „An der Bratwurst“ firmierten. Der Name, so vermuten Historiker, könnte daher kommen, dass die Bewohner einen Vorläufer von McDonald‘s betrieben und Reisenden am auf dem Höhenrücken entlang führenden Handelsweg statt damals noch nicht erfundener Burger eben Bratwürste verkauften. Die Bezeichnung ist dann aber Anfangs des vorigen Jahrhunderts aus den Kartenwerken und dem Wuppertaler Bewusstsein verschwunden. Wie er jetzt auf gar wundersame Weise ein fulminantes Comeback in Google Maps feiern konnte, ist eines der großen Rätsel des Internet-Zeitalters. Fest steht nur Zweierlei: Der letzte, der so spektakulär von den Toten auferstanden ist, hat nächste Woche seinen großen Tag. Und Google weiß zum Glück doch nicht alles. Zumindest nicht über Wuppertal ...
Bis die Tage!
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