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 Nach Toreschluss: Polaroid statt Schwebebahn​

Nach Toreschluss - die Wochenendsatire : Polaroid statt Schwebebahn

Ich habe gerade aus Protest mit dem Hammer auf einen LEGO-Stein draufgehauen. Und zwar richtig feste. Denn es darf ja wohl nicht wahr sein, dass sich die dänischen Baustein-Barone weigern, eine LEGO-Schwebebahn zu produzieren. Dabei hatte ihnen ein Wuppertaler Student das wunderbare Modell dafür quasi serienreif in die Ideen-Pipeline geschoben, aus der regelmäßig neue Bausätze hervorgehen.

Die Schwebebahn war eine von 39 Vorschlägen aus Fan-Kreisen, deren Realisierung LEGO dieses Jahr intensiv geprüft hat, nachdem mehr als 10.000 Menschen dafür im Internet den Daumen hoben. In vielen Wuppertaler Wohnzimmern wurden bereits Fotos der Schwiegermutter vom Sideboard geräumt, auf dass dort bald eine LEGO-Schwebebahn Platz fände, die man vorher unter großem Hallo im Familenkreis zusammengebaut hätte.

Jeden Morgen hätten dann Kinderaugen einen sehnsüchtigen Blick auf den leeren LEGO-Zug geworfen, ehe sie sich auf den Weg zu Schulbussen machen, die in Wuppertal Viehtransporten nicht unähnlich sind, nur dass man weniger Platz hat. Und weil das Gerüst bei LEGO ja aus Plastik bestünde und nicht verrosten könnte, müsste man es noch nicht mal nach 20 Jahren neu streichen.

LEGO aber hat sich gegen die Schwebebahn und stattdessen für vier andere Projekte entschieden. Dazu gehört allen Ernstes der Nachbau einer Polaroid-Kamera. Ältere Wuppertaler werden sich an diese revolutionäre Idee der Foto-Industrie noch erinnern. Mit Polaroid-Kameras konnte man Aufnahmen machen, die dann wenig später als Bild auf Papier aus dem Gehäuse gekrabbelt kamen.

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Auf diesen Bildern sah man in der Regel aus wie eine deutlich zu spät geborgene Wasserleiche, was nicht ganz so schwer ins Gewicht fiel, weil die Polaroid-Fotos sowieso meistens so unscharf waren wie Schonkost nach einer Magen-OP. Aus der nachgemachten Polaroid-Kamera kommt aber nicht einmal das, sondern ausweislich des Entwurfs nur eine weiße LEGO-Platte raus. Wie so ein Schmonzens mehr Leute begeistern soll als die Schwebebahn, muss mir mal jemand erklären.

Übrigens will LEGO durchaus das Modell eines legendären Verkehrsmittels nachbauen: allerdings eben nicht die Schwebebahn, sondern den Orient-Express. Dabei geht uns der protzige Luxuszug schon deshalb permanent auf den Nerv, weil der Krimi-Schinken „Mord im Orient-Express“ im Fernsehen noch öfter wiederholt wird als alle „Sissi“-Filme zusammen. Nebenbei bemerkt geht es darin im Kern um einen Zug, der erhebliche Verspätung hat, was regelmäßig mit der Deutschen Bahn fahrenden Wuppertalern als Phänomen täglich begegnet.

Und so eine Verspätung sollen wir uns dann ernsthaft auch noch in der Freizeit aus LEGO zusammenbauen? Orient-Express statt Schwebebahn – das ist unerklärlich ... Obwohl: Der größte dänische Exportschlager ist ja der Hit „Ich will nen Cowboy als Mann“ von Gitte. Und deren Mutter gibt ihr darin im Hinblick auf Männer folgenden Rat: „Nimm gleich den von nebenan, denn der ist bei der Bundesbahn.“ Diese Textzeile beweist, dass Dänen offenbar einen ganz besonderen Hang zur Eisenbahn haben und die Schwebebahn deshalb bei ihnen keine Chance hat.

Meine Empfehlung: Käufer des Orient-Express-Modells könnten sich beim Zusammenbau mit der LEGO-Polaroidkamera fotografieren. Dann werden sie schon sehen, was dabei herauskommt ...

Bis die Tage!

P.S.: Am Sonntag (30. Oktober 2022) um 18 Uhr lese ich ausgewählte Glossen bei der Lit.Ronsdorf. Gestern gab es noch einige Restplätze. Infos bei Monika Diehle unter Tel. 0202 / 4698762.