Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Der große und der kleine Held
Wuppertal · Weil eine Kilowattstunde Strom demnächst so teuer ist, dass man sie passend zum Namen eigentlich in Watte packen müsste, reden jetzt alle vom Energiesparen. Ich hätte da einen ganz konkreten Vorschlag für Sie
Statt nachmittags den Fernseher anzumachen und Reality-Serien mit Laienschauspielern zu gucken, deren darstellerisches Vermögen ähnlich lückenhaft ist wie ihr Zahnbesatz, können Sie sich einfach mal eine halbe Stunde in die Elberfelder City setzen und die Leute beobachten. Das ist garantiert unterhaltsamer und kostet gar nichts.
Diese Woche saß ich beispielsweise am Von der Heydt-Platz, wo sich bei 35 Grad Kinder kreischend in dem dort vor Jahresfrist installierten Wasserspiel tummelten. Auf der Betonfläche drumherum schwitzten sich die Eltern einen ab, weil die hier im Zuge der Neugestaltung des Platzes gepflanzten Bäumchen leider erst Schatten spenden werden, wenn die dort heute planschenden Blagen selbst Kinder haben.
Deshalb ist es auch ganz gut, dass die hier eigentlich vorgesehene goldene Bank, die den Platz als besondere Attraktion umsäumen sollte, seit einem Jahr bestimmt in Kürze installiert wird. Denn angesichts der ungebremsten direkten Sonneneinstrahlung wäre jede Wuppertaler Fott auf dem Ding garantiert in zehn Sekunden medium gebraten gewesen.
Ohne die Bank sieht das schmucklose Platz-Ensemble jetzt allerdings leider ein bisschen aus wie das Herzstück einer Plattenbausiedlung im Moskau der 80er Jahre. Deshalb müssen Passanten selbst für die Farbtupfer sorgen. Dieser Tage sah ich gleich zwei interessante Exemplare. Bei dem einen handelte es sich um einen stattlichen Herrn im Schottenrock, der mit einem aufgeschlagenen Reiseführer über das Elsass gemessenen Schrittes durch die City lief.
Das wirft Fragen auf: Handelt es sich da um einen bei der Nutzung des 9-Euro-Tickets im Geflecht des Regionalverkehrs vom Weg abgekommenen Touristen aus Glasgow? Oder treibt der Klimawandel Männer aus Wuppertal jetzt dazu, ihre Urlaubsplanung in besonders luftigen Kleidungsstücken mitten in der Fußgängerzone zu erledigen? Vielleicht werden wir es nie erfahren.
Genausowenig wie den Hintergrund eines anderen Herrn mittleren Alters, der am Donnerstag alle Blicke in der Stadt auf sich zog. Das lag maßgeblich daran, dass er unterhalb seines im Erscheinungsbild durchaus bürgerlich gehaltenen Gesichts in einen unfassbar lila bis pinkfarbenen, mehr als hautengen Ganzkörperanzug aus Polyester gehüllt war, wie ihn selbst Superhelden in Comics nicht tragen könnten. Abgerundet wurde der Look durch neongelbe Stoppersocken mit hellgrünen Anti-Rutsch-Punkten, die offenbar reguläres Schuhwerk ersetzten
Unter dem in der Hitze mutmaßlich ausgesprochen atmungspassiven Ensemble trug der wundersame Wanderer absolut nichts, weshalb auch sein kleiner Comic-Held beim Dahinschreiten unübersehbar mitschwang. Begleitet wurde er von einer Dame, die die Hälfte ihres Haares passend zu des Herrn lila Leibchen eingefärbt hatte. Ein Paar, das selbst in Köln oder New York Aufsehen erregt hätte, sich aber ohne eine Miene zu verziehen ganz selbstverständlich durch Elberfeld bewegte: In uns steckt doch mehr Weltstadt, als wir meinen.
Trotzdem bleibt die Frage: Hat da jemand ein sehr ungewöhnliches Hobby, eine Wette verloren oder einen Auftrag von Gudo Cantz für „Verstehen Sie Spaß“? So etwas habe ich jedenfalls noch nie gesehen. Noch nicht einmal im Nachmittagsfernsehen ...
Bis die Tage!