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 Nach Toreschluss - die Wochenendsatire​: Doller Solar Decathlon!​

Nach Toreschluss - die Wochenendsatire : Doller Solar Decathlon!

Der Wuppertaler an sich hat ja die faszinierende Eigenschaft, bedeutende Entwicklungen in seiner Stadt möglichst lange zu ignorieren. Deshalb hielten die meisten Eingeborenen „Solar Decathlon“ wahrscheinlich für die Sommersaison im großen Sportgeschäft am Wicküler-Park.

Als dann an der Nordbahntrasse in Höhe Mirke plötzlich mehr Kräne standen als seinerzeit am Döppersberg, wurden Passanten aber doch aufmerksam und wunderten sich, dass da in nur zwei Wochen komplette Häuser gebaut wurden. „Vonne Stadt kann dat nich sein, dat geht völl tu flott“, hörte ich jedenfalls im Vorbeigehen einen älteren Herrn am Zaun sagen

Auf diesem Zaun stand allerdings genau genommen auch drauf, worum es sich handelte. Nämlich um den weltgrößten Hochschulwettkampf für nachhaltiges Bauen und Wohnen in der Stadt. Das fanden die Wuppertaler dann offensichtlich doch interessant und sind am Feiertag alle auf einmal hingegangen. Ich auch. (Bilder:)

Zu diesem Zweck hatte ich bereits weit im Vorfeld eine kostenlose Eintrittskarte mit einem Zutritts-QR-Code geordert, den ich am Eingang einem in ein gelbes Westenwams gehüllten Ordner auf dem Handy vorzeigte. Der Herr deutete daraufhin auf einen ebensolchen Code, der in groß am Zaun hing und offenbar zur Registrierung für Spontanbesucher diente – und murmelte: „Da scannen!“ In mir erwuchs der Verdacht, dass der Westenmann eher nicht dem universitären, sondern eher dem Türsteher-Umfeld entwachsen sein muss, denn mein Einwand „Ich bin doch schon registriert“ drang ausweislich seiner neuerlichen Antwort irgendwie nicht durch: „Da scannen!“

  • Eines der Objekte.
    Wuppertaler Nordbahntrasse : Solar Decathlon 21/22: Die Häuser stehen
  • AWG-Mitarbeiter haben während der Bauphase des
    Solar Decathlon 2022 : AWG-Recyclingcenter war eine „große Hilfe“
  • Eines der 16 Häuser.
    Besichtigung ab dem 10. Juni : Solar Decathlon: Häuser nehmen Gestalt an

Ich hielt ihm nochmal das Ticket unter die Nase und sorgte damit wohl für eine Art Erweckungserlebnis: „Hast du Ticket? Brauchsch nisch“, teilte er mit und winkte ab oder mich durch. Letztlich blieb das unklar. Jedenfalls war ich auf einmal drin und ob dieses Starts etwas verunsichert, wie die anderen paar Tausend Menschen wohl in Empfang genommen worden sind. Immerhin waren ja auch jede Menge internationale Besucher dabei, was wir Wuppertaler eher nicht gewöhnt sind. Exotische Gäste haben wir sonst höchstens, wenn Leute aus Schwelm zum Einkaufen nach Elberfeld kommen.

Der erhebliche Andrang führte dazu, dass sich vor den zukunftsweisenden Häusern Schlangen bildeten, die an die guten alten Zeiten des Winterschlussverkaufs erinnerten. Das Warten lohnte sich aber, weil man drinnen wirklich viel Spannendes entdecken kann und einem ziemlich schnell klar wird, dass es ganz schön pfiffige Ideen und Techniken gibt, um beim Bauen und Wohnen nicht mehr ökologische Fußabdrücke in der Schuhgröße von Dirk Nowitzki zu hinterlassen.

Man kann zum Beispiel Häuser mit Hanf, Stroh oder Lehm dämmen oder wie das Team aus Prag nicht tragende Wände aus vorsortiertem Abfall herstellen. Man müsste also eigentlich nur einmal den Müll links und rechts der Autobahnauffahrt Barmen einsammeln und hätte schon ein halbes Einfamilienhaus zusammen.

In Führung beim Wettbewerb lag am Donnerstag übrigens ein Team aus Holland, das sich mit der Aufstockung des Café Ada in Elberfeld beschäftigt hat. Dessen Konstrukt sieht nicht nur gut aus und produziert keine Emissionen, sondern ist auch extrem intelligent. Im Gemeinschaftsraum der darin eingebauten Wohnungen hängt sogar ein Bildschirm, auf dem steht, wann aus wirtschaftlicher Sicht der beste Zeitpunkt ist, um die Spülmaschine anzumachen. Sollte dieser Zeitpunkt allerdings vor dem Essen liegen, stößt das System doch an seine Grenzen ...

Aber Spaß beiseite: Gucken Sie sich das unbedingt mal an. Und selbst wenn Sie Schwierigkeiten haben, sich mit den Studenten der Yang-Ming-Chiao-Tung-Nationaluniversität aus Taiwan zu verständigen und technisch nicht alles begreifenen, lohnt es sich trotzdem, weil die smarten Häuschen auch noch richtig stark aussehen.

Irgendwie noch nicht richtig fertig war übrigens das Team aus Schweden, das immer noch an seinem Haus arbeitete. Möglicherweise haben sie es bei Ikea bestellt und suchen noch die Schrauben ...

Bis die Tage!