1. Kolumne
  2. Toreschluss

 Nach Toreschluss - die Wochenendsatire​: Von Häschen und Ratten​

Nach Toreschluss - die Wochenendsatire : Von Häschen und Ratten

Bis vor wenigen Jahren hatten es die Politiker in Wuppertal nicht nur mit ihrer Stadt schwer, sondern auch mit ihren Unterlagen: Zu Ratssitzungen wurde ein Druckschachen-Papierberg in der Höhe des Himalayas produziert, den weniger muskulöse Stadtverordnete passend dazu nur mit Hilfe eines gestandenen Sherpas transportieren konnten.

Inzwischen gibt es aber zum Glück ein digitales Ratsinformationssystem, in dem alle Unterlagen drin stecken, so dass die Politiker nur noch ein Laptop oder Tablet brauchen, um die Unterlagen bei den Sitzungen parat zu haben.

Dieser Digitalisierungsschritt hat auch noch einen anderen Vorteil, den ich live beobachtet habe, als die Ratssitzungen wegen Corona in der Stadthalle stattfanden und man im Großen Saal so schön von den Besucherrrängen oben auf die Tisache der Politiker direkt da drunter gucken konnte: Auf den Computern können Stadtverordnete da nämlich auch prima Videospiele machen, wenn sie die Debatte langweilt.

Das sieht dann von der Seite so aus, als würden sie wild durch eine Drucksache scrollen, während sie in Wirklichkeit Häschen durch irgendwelche blühenden rosafarbenen Phantasiewelten schicken, in denen es keine kommunale Finanzkrise gibt und die Bundesgartenschau schon serienmäßig einprogrammiert ist ...

Nun begab es sich aber vorige Woche, dass im Forum der Gesamtschule Langerfeld ein städtisches Gremium tagte, dessen Mitglieder in bewährter Manier hoffnungsfroh die digitalen Endgeräte anwarfen. Allerdings gab es in dem hochmodernen Saal kein WLAN. Wo unsere Schulen doch eigentlich längst voll digitalisiert sein sollen, ist sowas eher überraschend. Mutmaßungen, dass kein WLAN verfügbar sei, weil die Schule nach Heinrich Böll benannt wurde und der ja schon vor Einführung des Internet verstorben ist, erwiesen sich als haltlos.

  • Ankunft in Wuppertal ...
    Nach Toreschluss - die Wochenendsatire : Mut zum Kros
  • Leserbrief
    Leserbrief : „Drecksloch“ Wuppertal
  • Leserbrief : „Macht mich fassungslos“

Den wahren Grund enthüllte ein eilig herbeigerufener Lehrer aus der Schulleitung: Leider – und das sei jetzt kein Witz – habe die Hausratte das Glasfaserkabel angefressen. Deshalb habe die Schule kein WLAN. Das sei schon vor den Sommerferien passiert. Seitdem versuche die Stadt vergeblich, es wieder zu reparieren. Wie er das finde, wolle er nicht kommentieren ...

Ich tue das aber gerne und muss zunächst feststellen, dass mir gar nicht bewusst war, dass Schulen nicht nur Hausmeister, sondern auch Hausratten haben. Und dass Glasfaserkabel ein Leckerbissen sind, war mir auch nicht bekannt. In den meisten Kochbüchern kommen sie als Zutaten ja gar nicht vor. Aber aus der Rattenperspektive sieht das offenbar anders aus, wie weitere Beispiele zeigen.

Auch im bekanntermaßen voll digitalisierten Estland gönnten sich die Nager 2019 eine Glasfaserkabel-Mahlzeit und legten damit unter anderem das Verschreibungssystem für digitale Rezepte und die Webseite der staatlichen Lotteriegesellschaft lahm. Dort hat man die Störung allerdings innerhalb weniger Stunden repariert, in der digitalen Modellkommune Wuppertal wird das voraussichtlich innerhalb weniger Monate gelingen ...

Fazit: Alle haben ja neuerdings Angst vor Daten-Hackern. Aber warum bloß hat uns noch nie jemand vor Daten-Nagern gewarnt?

Bis die Tage!