Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Diebisches ELSTER

Wuppertal · Neulich rief mich eine Freundin an, weil ihr Mann seit Stunden mit irrem Blick in der Ecke des Arbeitszimmers kauerte und Worte wie „Artfortschreibung“, „Hauptfeststellung“, „natürliche Person“, „Gemarkung“, „wirtschaftliche Einheit“, „Anredeschlüssel“, „Feststellungsbeteiligte“ oder „Bruttogrundfläche“ vor sich hin stammelte. Ich eilte hinzu und erkannte sofort: Ein klarer Fall von „Morbus Grundsteuer“!

 Das Finanzamt am Unterdörnen.

Das Finanzamt am Unterdörnen.

Foto: Simone Bahrmann

Dieses Krankheitsbild hat auch in Wuppertal jeden getroffen, der leichtsinnig versucht hat, die vom Finanzamt jetzt unerbittlich geforderte Grundsteuererklärung ohne Hilfe von Immobilienfachleuten, Steuerberatern und IT-Experten abzugeben.

Nach Vorstellungen des Staates sollen ja auch 90-jährige Omas mit kleinem Häuschen im Internet das öffentliche Steuerportal mit Hilfe einer zunächst zu generierenden Zertifikatsdatei auf ihrem nicht vorhandenen Computer öffnen und Angaben zu ihrem Grundbesitz machen. So etwas können sich nur Beamte ausdenken, die zuletzt am richtigen Leben teilgenommen haben, als sie auf dem Schulhof verkloppt wurden.

Dieses Steuerportal ist übrigens nach einer bekannt diebischen Vogelart benannt und heißt „ELSTER“. Das passt sehr gut, weil „ELSTER“ bei der Grundsteuererklärung vielen Menschen jede Menge Zeit gestohlen hat. Ich habe mich auch daran versucht und in der „Anlage Feststellungsbeteiligte“ tagelang völlig ratlos vor dem Punkt „Anteil am Grundstück/Betrieb der Land- und Forstwirtschaft“ gesessen, unter dem zwei Felder mit den Bezeichnungen „Zähler“ und „Nenner“ auszufüllen sind.

Mit Zählern und Nennern hatte ich zuletzt kurz nach der Grundschule zu tun, habe da aber wenigstens begriffen, was die Lehrkräfte in diesem Zusammenhang von mir wollten. Wie ich heute weiß, geht es hier um die schlichte Frage, wie viel vom Haus oder der Wohnung einem gehört. Das hätte man natürlich auch genau so formulieren können, aber dann bestünde die Gefahr, das es jemand auf Anhieb versteht.

Falls Sie gerade davor sitzen, weil die Abgabefrist ja Dienstag abläuft, hier ein Tipp: Bei Ehepaaren besitzt sehr gerne jeder jeweils die Hälfte vom Haus, dann muss jeder von beiden bei Zähler „1“ und bei Nenner „2“ reinschreiben. Wer sich sowas ausdenkt, kann keine schöne Kindheit gehabt haben ...

Erstaunlich ist übrigens, dass das Finanzamt nur Sachen abfragt, die der Staat alle schon weiß. Meine Steuer-Identifikationsnummer kennt das Finanzamt beispielsweise ganz gut, weil sie mir die ja höchstselbst verpasst hat. Über Grundstücke und Besitzverhältnisse steht bekanntlich alles im Grundbuch. Und für das, was da drauf errichtet wurde, gab es doch mal eine Baugenehmigung.

Und wo man wohnt, seht spätestens auf dem Umschlag, in dem das Erinnerungsschreiben kommt, wenn man die Erklärung nicht abgegeben hat. Die staatlichen Stellen müssten also nur miteinander sprechen und vielleicht kurz abfragen, wann man zuletzt renoviert hat, dann wäre der ganze Quatsch überflüssig.

Überraschenderweise hat ungefähr die Hälfte der Betroffenen die Erklärung trotz Fristverlängerung immer noch nicht abgegeben, was die Frage aufwirft, ob die Bevölkerung zu blöd oder die Bürokratie zu groß ist. Ich habe jedenfalls dem Kumpel in der Ecke seines Arbeitszimmers auf die Beine geholfen und ihm glaubhaft versichert, dass er eine ganz normale natürliche Person ist.

Keinesfalls müsse er sich Gedanken darüber machen, dass er nicht weiß, was er bei „Zur wirtschaftlichen Einheit gehörender Anteil: Zähler“ reinschreiben soll oder ob er wegen der beiden Goldhamster seiner Töchter das Formular „GW-3a Anlage Tierbestand“ ausfüllen muss. Wirklich Sorgen machen würde mir nur, wenn es umgekehrt wäre ...

Bis die Tage!

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