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Nach Toreschluss - die Wochenendsatire: Versicherte Verrichtung

Nach Toreschluss - die Wochenendsatire : Versicherte Verrichtung

Es gibt Dinge, über die macht man sich einfach viel zu wenig Gedanken. Zum Beispiel über den Toilettengang während der Arbeitszeit. Denn erst dieser Tage bin ich per Zufall darauf gestoßen, dass gemäß deutscher Rechtsprechung die gesetzliche Unfallversicherung nicht greift, wenn einem im Betrieb auf dem Pott etwas zustößt.

Genau genommen hatte ich mir noch nicht einmal nennenswerte Gedanken darüber gemacht, dass mir im Büroklo überhaupt etwas passieren könnte. Denkbare Unglücke wären eigentlich nur, wenn das Klopapier alle ist, der vorherige Nutzer Durchfall hatte oder das stille Örtchen seinen Namen nicht verdient, weil in der Kabine nebenan jemand stöhnend mit dem Stuhlverhalt ringt. Offensichtlich gibt es aber auch Arbeitnehmer, die auf der Toilette ausrutschen und sich Knochen brechen. Davon ist jedoch aus versicherungstechnischer Perspektive dringend abzuraten.

Das Landessozialgericht Stuttgart hat dazu bereits 2016 ein wegweisendes Urteil gesprochen, das in perfektem Jurustendeutsch so zusammengefasst wurde: „Die Verrichtung der Notdurft und der Aufenthalt am Ort ihrer Vornahme gehört zum nicht versicherten persönlichen Lebensbereich, da sie unabhängig von einer betrieblichen Tätigkeit erforderlich ist. Bei natürlicher Betrachtungsweise zählt zum Vorgang des Verrichtens der Notdurft diese selbst und das Händewaschen, also der gesamte Aufenthalt in allen zur Toilette gehörenden Räumlichkeiten.

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Meine natürliche Betrachtungsweise wäre zwar eher die, dass ich ja schlecht zum Pullern nach Hause fahren kann und es auch im Interesse meines Arbeitgebers liegen müsste, wenn ich beim Termin mit Kunden nicht in die Hose mache. Aber juristisch ist diese Sichtweise leider nicht haltbar. Außer man ist Beamter. Bei Staatsdienern greift der Dienstunfallschutz nämlich auch auf dem Klo. Man müsste also mal im Rathaus nachfragen, ob Verwaltungsvorschläge möglicherweise auf dem Pott ausgebrütet werden. Das würde einiges erklären ...

Übrigens ist bei normalen Arbeitnehmern zwar nicht der Kloaufenthalt, sehr wohl aber der Weg zum Klo und zurück versichert. Das Sozialgericht Heilbronn hat dazu festgestellt, es handele sich beim Marsch zum Häuschen „um eine regelmäßig unaufschiebbare Handlung, die der Fortsetzung der Arbeit direkt im Anschluss daran dient und somit auch im mittelbaren Interesse des Arbeitgebers liegt“. Diesen Gang dann auch durch eine entsprechende Verrichtung zu finalisieren ist aber laut Gericht  eine „eigenwirtschaftliche Tätigkeit“, für die deshalb kein Versicherungsschutz besteht.

Ich darf also versicherungsgeschützt zur Toilette hingehen, aber nur auf eigenes Risiko rein oder gar drauf. Wer das versteht, hat entweder ein juristisches Prädikatsexamen oder sonstwie einen an der Klatsche.

 Roderich Trapp.
Roderich Trapp. Foto: Wuppertaler Rundschau/Max Höllwarth

Anders könnte die Sache übrigens liegen, wenn es einen inneren Zusammenhang zwischen der konkreten Verrichtung zum Unfallzeitpunkt und der versicherten Tätigkeit gibt. Diesen Hinweis hat das Landessozialgericht Stuttgart bei seinem Unfall-Urteil gegeben. Ich verstehe das so: Wenn Ihnen jemand beruflich einen Knopf an die Backe labert, den sie anschließend auf der Betriebstoilette operativ entfernen wollen, sind Sie tatsächlich unfallversichert, falls Sie beim Auswaschen der Wunde im Waschbecken ertrinken. Das ist ausgesprochen beruhigend, denn von solchen Fällen hört man ja immer wieder ...

Ich persönlich werde aus dieser komplexen gesetzlichen Unfallversicherungslage Konsequenzen ziehen. Da Einhalten bei einem Acht-Stunden-Arbeitstag zu Haltungsschäden führen kann, habe ich eine andere Lösung gefunden: Bei uns im Keller muss noch irgendwo das Töpfchen stehen, auf dem sich unser Sohn als Kleinkind von den Windeln entwöhnt hat. Das stelle ich mir neben den Schreibtisch und hüpfe einfach drauf, sobald ich ein menschliches Rühren verspüre.

Wenn ein ganzes Großraumbüro dabei zuguckt, kann ja selbst ein Winkeladvokat wohl kaum noch behaupten, dass es sich dabei um eine eigenwirtschaftliche Verrichtung im persönlichen Lebensbereich handelt. Zur Not telefoniere ich dabei noch dienstlich, dann bin ich komplett auf der versicherten Seite.

Und falls ich da mal vom Töpfchen falle, dann wenigstens nícht so tief wie vom großen Topf. Und wenn ich mir trotzdem weh tue, kriege ich ja lebenslange Unfall-Rente. Sie sehen: Jetzt habe ich mir Gedanken gemacht!

Bis die Tage!