Kommentar zur Platz-hinter-Primark-Abstimmung „Eigentlich unerhört!“

Wuppertal · Am Samstagmittag schickte mir mein Bruder, der meinen Artikel über die Entscheidung zum Platz hinter Primark gelesen hatte, eine WhatsApp: Da hat die Stadt ja wohl für die allerlangweiligste Option gestimmt. Eigentlich unerhört!

 Stefan Seitz.

Stefan Seitz.

Foto: Bettina Osswald

Meine Antwort: Definitiv. Nur, dass es nicht „die Stadt“ ist, die das vergeigt hat, sondern CDU, Grüne, FDP und Freie Wähler mit ihrer Mehrheit. SPD, Linke und Mucke waren dagegen. Und auch der Stadtentwicklungs-Dezernent hätte was anderes gewollt. Aber die Entscheidung liegt bei der Politik – und die Mehrheit wollte da ihre Muskeln zeigen. So „einfach“ ist das leider. Damit könnte dieser Kommentar schon zu Ende sein. Aber hier doch noch einige Eindrücke aus der Döppersberg-Kommission, in der das Ganze über die Bühne ging.

Ein Bürgerantrag von Einzelhändler Thomas Pusinelli, der sich auch schon zum Thema „Erhalt aller alten Bäume“ im Wupperpark Ost (erfolglos) zu Wort gemeldet hatte – chancenlos. Ebenso wie alle vorher diskutierten und im Bürgerantrag nochmals aufgelisteten Ideen für den Platz hinter Primark. Zur Erinnerung: Skater-Area, begrünte Entspannungs- oder Spielfläche, „künstlerisches Schaufenster“, „Klimagarten“ ... Und zusätzlichen Gratis(!)-Raum für weitere dringend benötigte Fahrradständer zu schaffen, wäre ja auch keine schlechte Eingebung gewesen. Der Platz, der sicher nicht so bedeutend ist, wie die SPD ihn stilisiert, aber doch ein Symbol-Areal hätte werden können, wird nun in der architektonisch-städtebaulichen Bedeutungslosigkeit bleiben, die ein großes Stück weit typisch ist für Wuppertal.

Einige weitere Facetten aus der Kommission: Dass die FDP den Begriff von der „Politikverdrossenheit“ so umdreht, die Politiker seien verdrossen darüber, dass auf dem Platz nach Radhaus & Co.-Hin-und-Her einfach nichts passiere, so dass man jetzt endlich einmal handeln wolle, ist ein Husarenstück. Dass die Grünen, die gerne zukunftsbewusst, jugendorientiert und stadtplanerisch modern auftreten, sich hier an einem nicht wahlentscheidenden Ort taktisch zurücknehmen, die umweltpolitische ÖPNV-Bedeutsamkeit von Taxen betonen und auf die Zeitschienen-Tränendrüse drücken, zeigt, dass auch saure Äpfel verfrühstückt werden müssen, wenn es der Kernbündnis-Sache dient.

Abenteuerlich allerdings ist der Umgang mit dem Vorschlag von Oberbürgermeister Mucke, für den Platz hinter Primark ein Bürgerbeteiligungsverfahren durchzuführen. Zu spät komme diese Idee, zu plötzlich – sei wahrscheinlich nur Wahlkampf. Hört, hört! Die Parteien, die eine Bürgerbefragung zur Seilbahn durchgepowert haben, lehnen am Primark-Plätzchen eine Beteiligung der Bürger ab. Was zeigt das? Echte, wissenschaftlich begleitete Bürgerbeteiligungsverfahren wie Bürgergutachten oder Planungszelle zu „kitzligen“ Themen haben in der hiesigen Polit-Mehrheit keine Rückendeckung.

Oder ging es etwa an dieser Döppersberg-Hinterhof-Stelle tatsächlich nur darum, dass die bürgerlich-grüne Mehrheit den ungeliebten Stadtentwicklungs-Dezernenten Frank Meyer (SPD) und „seinen“ OB öffentlich mal so richtig vorführen und alt aussehen lassen wollte? Manchmal sind die Sachen ja tatsächlich so einfach ...

Der Platz hinter Primark ist ein lächerlich kleines Stückchen Wuppertal. Aber über (kommunale) Politik kann man da jede Menge lernen.

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