Nach Toreschluss – die Wochenendsatire „Nur wer wagt, gewinnt!“

Wuppertal · Vielleicht erinnern Sie sich noch: Vor vier Jahren wurde in Wuppertal verbissen darüber gestritten, ob in die historische Fassade am Hauptbahnhof runde oder eckige Fenster kommen sollen. Im Vergleich zur damaligen rhetorischen Schlacht um die richtigen Rahmen wirken die aktuellen Brexit-Verhandlungen wie eine kleine Diskussionsrunde am Rande eines Elternabends.

 Noch nicht so gut angekommen ...

Noch nicht so gut angekommen ...

Foto: Wuppertaler Rundschau

Inzwischen sind die eckigen Fenster drin – und wir müssen erkennen, dass es vielleicht besser gewesen wäre, sich weniger Gedanken über deren Form als über die Bemühungen der Deutschen Bahn um ihren Teil der Fassade zu machen. Denn im unteren Drittel, das die Stadt jetzt fein hergerichtet hat, erstrahlt die Fassade jetzt in einer Art Donald-Trump-Gelb. Der obere Teil, für den die Bahn verantwortlich zeichnet, ist dagegen nach wie vor in scheckig-dunklem Durchfallbraun gehalten. Durch den Kontrast sieht das jetzt aus, als hätte man den Oberkörper der Mumie von Ötzi auf die Beine von Heidi Klum montiert.

Man möchte der Bahn also dringend zurufen: „Jetzt sind Sie am Zug!“ Witzigerweise steht genau dieser Spruch neuerdings eine Etage tiefer im Tunnel zu den Gleisen. Er richtet sich aber gar nicht an die Verantwortlichen des Schienenverkehrsdienstminderleisters, sondern an die Fahrgäste. Die sollen vor dem Street-Art-Kunstwerk, zu dem der wortwitzige Satz gehört, Selfies machen und die dann mit dem Hashtag wuppertalhbf bei Instagram posten. Das ist eine total hippe Idee, die beim Publikum so gut ankommt, dass sich bei Instagram exakt null entsprechende Selfies finden lassen.

Ein paar mehr Aufnahmen existieren von den Malereien, mit denen die Aufgänge zu Gleis 2 und 3 verziert wurden. In dem einen hat man zum Spruch „Wuppertal lässt Sie schweben“ Schwebebahnen unter das Treppengeländer gezeichnet. An sich eine ganz witzige Idee. Aber leider haben die Schwebebahnen jeweils nur einen statt zwei Wagenteile und liegen praktisch auf den Treppenstufen auf, weshalb sie genau genommen stark an die längst verschwundene Barmer Bergbahn erinnern. Wobei: Züge, die es gar nicht gibt, sind ja bei der Deutschen Bahn nichts Ungewöhnliches.

 Der farbenfrohe Hauptbahnhof.

Der farbenfrohe Hauptbahnhof.

Foto: Wuppertaler Rundschau

Die künstlerische Hervorbringung am anderen Aufgang gibt dem interessierten Treppensteiger unterdessen Rätsel auf. Dort steht neben einem holzschnittartigen Elefanten der Spruch: „Wupp! Wupp! Nur wer wagt, gewinnt!“ Was will man uns damit sagen? Sollte es sich bei dem Elefanten um Tuffi handeln, kommt das irgendwie nicht hin. Der Zirkus Althoff hat damals zwar den Elefantentransport in der Schwebebahn gewagt, aber nichts gewonnen, sondern den Dickhäuter unterwegs verloren.

Mir fällt aber gerade eine ganz andere Erklärung ein: Wahrscheinlich hatte die Bahn diesen künstlerischen Beitrag in Auftrag gegeben, als an dieser Stelle noch die legendäre Harnröhre begann. Es sollte eine freundliche Ermutigung für Reisende sein, den Marsch durch den pelzigen Fußgängertunnel zu wagen, an dessen Ende man mitten in der City auftauchte und damit sozusagen gewonnen hatte. Wegen der bei der Bahn üblichen Bearbeitungszeit für diesen Auftrag konnte das Kunstwerk aber erst viereinhalb Jahre nach dem Abriss des Tunnels angebracht werden.

Was die Bahnhofsfassade angeht, macht mir diese Umsetzungsstärke allerdings wenig Hoffnung. Wahrscheinlich haben wir da den kompletten Ötzi, bevor sich irgendetwas tut ...

Bis die Tage!

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