Kommentar zum Schauspielhaus Verhüllt diesen Kunst-Tempel mit Kunst!

Wuppertal · Vorne nicht mehr hui, hinten mega-pfui: So flapsig könnte man die optische Situation rund um das Schauspielhaus zusammenfassen. Wenn das Ganze nicht so traurig wäre – und gar nicht zum Lachen.

Kein schöner Anblick ...

Foto: Simone Bahrmann

Der Anblick dieses Gebäudes, das nicht nur eine große Geschichte hinter sich, sondern mit dem Pina-Bausch-Zentrum auch eine große Zukunft vor sich hat, wird dem Betrachter, der einmal einen Rundgang auf dem Areal unternimmt, die Tränen in die Augen treiben.

Seit der Schließung des Hauses im Jahr 2013 ist im Grunde nichts mehr an der Substanz gemacht worden. Wildwuchs, bröckelnder Putz und leise vor sich hinschreitender Verfall an allen Ecken würden einem Wuppertal-Touristen den Eindruck vermitteln, in einer Stadt zu sein, die mit großer Geschwindigkeit abwärts rutscht. Vom Ruhm und Glanz der Zeiten, als Zehntausende Wuppertaler und Gäste von außerhalb hier große Theater- und Tanztheater-Kunst in architektonisch Aufsehen erregendem Ambiente erlebt haben, ist nichts mehr übrig.

Wer auf der B7 fährt, sieht „auf die Schnelle“ (glücklicherweise) wenig von dieser Schande. Wer von der Schwebebahn aus auf die Rückseite schaut, umso mehr.

Nun bin ich kein Bau-Experte. Und es kann ja sein, dass all die Schäden, die das Haus heute schon hat, wieder spurlos glattgebügelt werden können, wenn der Umbau zum Pina-Bausch-Zentrum im übernächsten Jahr startet. Falls dieser Zeitplan hält ...

Trotzdem: Wir reden hier von noch mindestens über 20 Monaten, während derer Wind und Wetter ihre zersetzende Arbeit tun. Und von noch mindestens 20 Monaten, während derer an der Kluse ein maroder, ranzig gewordener Bau mit blinden oder vernagelten Fenstern sowie immer wieder aufgehäuften Müllansammlungen vor sich hingammelt, das Auge jedes Wuppertal-Fans beleidigt – und all denen optisch in die Suppe spuckt, die sich für die große Bedeutung des Pina-Bausch-Zentrums stark machen.

Darum meine Forderung: Verhüllt diesen Kunst-Tempel mit Kunst! Es gibt diese riesigen Fassadennetze, die man mit Bildern bedrucken kann. In großen Metropolen, wo bedeutende Bauwerke saniert werden, ist das immer wieder live zu sehen – und ein beeindruckender Anblick, der das Beste aus einer Phase macht, in der das „echte“ Gebäude nicht vorzeigbar ist.

Das Archiv des Pina-Bausch-Tanztheaters ist übervoll von wunderbaren Tanzszenen-Bildern. Welch ein Anblick könnte es sein, das gesamte Schauspielhaus in der Zwischenzeit bis zum Umbau-Start mit solchen auf Fassadennetze gebrachten Bildern zu verhüllen ...

Ja, ich weiß – das kostet Geld. Aber es gibt in dieser Stadt Sponsoren und Mäzene mit großen Herzen für Kunst und Kultur. Wenn jemand mit Engagement und Leidenschaft diese Leute an einen Tisch bringt und ihnen ein vernünftiges Konzept vorstellt, um das Schauspielhaus optisch in Szene zu setzen, anstatt das Vergammeln weiterhin vor aller Augen geschehen zu lassen – dann sollte eine künstlerische Verhüllung möglich sein!

Ich bin ein großer Liebhaber des Wuppertaler Tanztheaters und ein erklärter Befürworter des Pina-Bausch-Zentrums. Dessen Macherinnen und Machern – ob sie nun in Verwaltungen, politischen Parteien oder sonstwo sitzen – werfe ich eines vor: Sie machen ihr Ding in abgeschlossenen Zirkeln, die definitiv das Adjektiv „elitär“ verdienen. Oder anders ausgedrückt: Sie machen ihr Ding unter sich aus.

Falls aber beim Pina-Bausch-Zentrum tatsächlich möglichst die ganze Stadt mit ins Boot soll (was ja aus jenen Zirkeln gebetsmühlenartig nach draußen verkündet wird), dann ist es so einfach, wie es immer schon gewesen ist: Wenn Menschen an etwas glauben sollen, müssen sie etwas zu sehen bekommen.