ESC-Blog des Wuppertaler Musikexperten Peter Bergener Die Ukraine – oder doch Italien?

Wuppertal / Turin · Nun steht das große Finale des ESC 2022 in Turin bevor. Ich habe bisher eine unvergessliche Zeit in dieser Stadt verbracht. Jetzt kommt natürlich die große Frage: Wer wird den Eurovision Song Contest im Jahr 2022 gewinnen?

 Mahmood & Blanco starten für Italien.

Mahmood & Blanco starten für Italien.

Foto: Screenshot / Bergener

Man hat dieses Jahr aber gar nicht das Gefühl, dass man in einem Wettbewerb ist. Das liegt daran, dass die Menschen es wieder genießen, endlich in Live-Konzerte zu gehen. Sie erfreuen sich an jedem Song, sei er balladesk wie zum Beispiel bei Portugal („Saudade, Saudade“) oder ganz flott wie bei Moldawien („Trenuletul“), bei dem die Zuschauer voller Elan und Freude in der Halle mitsingen und mittanzen: „Hey Ho! Let's go.“

Nun ja, das ist dieses Jahr mit der Wahl des Gewinners eigentlich auch gar nicht schwer. Denn unabhängig, wenn man das „Musikalische" mal beiseitelegt, stehen alle Zeichen auf einen Erfolg der Ukraine. Die Solidarität der Menschen ist so groß, dass man sich sagt, wir lassen die Ukraine gewinnen. Ich glaube auch, dass die Jurys, deren Stimmanteil ja immerhin auch 50 Prozent zählt, ähnlich gestimmt ist wie das breite TV-Publikum. Zumindest aber ganz vorne spielt Ukraine mit.

Es kann aber auch sein, dass wir nächstes Jahr wieder nach Italien reisen werden, denn Italien hat eine grandiose typische italienische Ballade. Der Song „Brividi“ ist ja immerhin schon ein Siegersong: Das Duo „Mahmood & Blanco“ haben damit in Italien das San-Remo-Festival gewonnen. Der Song steht seit Wochen schon in den italienischen Charts und wurde bereits mit Platin ausgezeichnet. Hier in Turin hört man den Song schon oft. Die Italiener drehen den Song im Auto voll auf und singen den Refrain lautstark und voller Freude mit.

Den Sänger Mahmood kennen wir aus dem ESC 2019, da er dort in Tel Aviv gegen die Niederlande und dem Sänger Duncan Laurence in einem wahrhaften Abstimmungskrimi im Finale auf den zweiten Platz kam. Nun will Mahmood es noch einmal wissen und eben jetzt im Duett mit dem Singer-Songwriter und Rapper „Blanco“.

 Mahmood & Blanco setzen musikalische und farbliche Akzente.

Mahmood & Blanco setzen musikalische und farbliche Akzente.

Foto: Screenshot / Bergener

Die beiden Stars singen in dem Song „Brividi“ („Schüttelfrost“), das sie gemeinsam mit Produzent Michelangelo geschrieben haben, von dem Ende einer Liebesbeziehung und die Unfähigkeit, über die eigenen Gefühle zu sprechen und inszenieren auf der Bühne den Song als gleichgeschlechtliches Liebeslied: die Freiheit, zu lieben und ohne jegliche Zurückhaltung, diese Liebe auch auszudrücken!

Ich finde den Song außerordentlich stimmlich anspruchsvoll und im Arrangement und Lyric kunstvoll. Nicht umsonst hat der Song sogar aktuell den „Eurostory Best Lyrics Award“ für den besten Songtext beim aktuellen Eurovision Song Contest verliehen bekommen. Bravo!

Das Duett stellt im Text einmal den Wunsch „Dich zu liebe“n („Ti vorrei amare“) und das Bewusstseins eigener Fehler („Ma sbaglio sempre“) gegenüber und das dann das Gefühl eines Schauderns oder eines Schüttelfrosts in einem auslöst („E mi vengono i brividi“). Die erste Strophe singt Mahmood, dann bei der zweiten Strophe singt Blanco, den Refrain singen beide im Duett. Die Ballade mit Klavier und Streichern ist das absolute Gegenteil des letztjährigen ESC-Rocksongs „Zitti e buoni“.

Falls dieses Jahr die Zuschauerinnen undZuschauer vor lauter Gefühlen bei „Brividi“ nicht emotional erstarren, werden sie zum Telefon greifen und Italien wählen. Doch es gibt auch noch weitere Favoriten wie Schweden, UK, Polen etc., aber das würde den Artikel jetzt sprengen.

Übrigens war ich beim Empfang des deutschen Botschafters in Italien. Unser Teilnehmer Malik Harris war auch da und hat den Song „Rockstars“ gesungen. Ich muss sagen, wirklich sehr sympathisch. Und vor allem ist Malik auf der Bühne sehr authentisch. Das kommt beim Publikum an! Ich hoffe, dass wir nicht wieder auf den hinteren Plätzen kommen und tippe ihn (hoffentlich) auf Platz 19.

Hier also dann mal meine TOP 10: Aber egal wer gewinnt – Hauptsache, wir können wieder die Kunst genießen und dass der Krieg in der Ukraine bald ein Ende nehmen wird.

Euch allen ein schönes Finale und ganz viele Grüße („tanti saluti“) aus Turin, Euer Euro-Music-Peter!

Die Tipps von Peter Bergener

1. Ukraine
2. Italien
3. UK
4. Schweden
5. Polen
6. Frankreich
7. Moldawien
8. Serbien
9. Niederlande
10. Norwegen oder Finnland

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