Nach Toreschluss - die Wochenend-Satire In der Umkleidekabine

Wir sind auch Charlie und lassen uns das Lachen nicht verbieten. Deshalb gibt es heute wieder Satire aus dem prallen Leben. Und das können Sie ruhig wörtlich nehmen, denn wir wollen uns jetzt mit dem Problemkreis "Umkleidekabinen im Textileinzelhandel" beschäftigen.

 Rundschau-Redakteur Roderich Trapp.

Rundschau-Redakteur Roderich Trapp.

Foto: Bettina Osswald

In die müssen wir ja alle irgendwann mal rein, um neue Anziehsachen anzuprobieren - gerade jetzt im Winterschlussverkauf. Je nach Beschaffenheit der Kabäuschen kommt man mit neuen Klamotten oder einer Depression wieder raus.

Ob eine Umkleidekabine zum Angstraum wird, hängt von drei Faktoren ab: Platzangebot, Spiegel und Licht. Im ungünstigsten Fall trifft ein Quadratmeter Grundfläche auf grelle Neonröhren von 1950 und einen Spiegel, in dem selbst Roberto Blanco aussehen würde wie ein Rohmilchkäse. Modernere Kabinen erzielen mit konsequent auf typische menschliche Problemzonen ausgerichteten Halogenstrahlern erfolgreich ganz ähnliche Effekte. Die Lightshow im Notoperationssaal-Ambiente macht aus jedem winzigen Bäuchlein einen Wanst und aus jedem Gramm zu viel am weiblichen Oberschenkel sofort eine Orangenhautplantage. Frauen, die in diesem Setting einen Bikini anprobieren, brauchen Nerven wie Drahtseile oder anschließend einen erfahrenen Notfallseelsorger.

Erschwerend kommt oft hinzu, dass moderne Ladenbauer dazu neigen, in hippen Shops nur noch einen winzigen Verschlag für die Anprobe vorzusehen, dessen Bemaßungen eher auf zwölfjährige Asiatinnen als auf den gestandenen Konsumenten bergischer Kaffeetafeln ausgelegt sind. Diese Verschläge werden gerne mitten im Geschäft positioniert und nur notdürftig mit einer Saloon-Tür vom Verkaufsraum abgetrennt.

Konstruktionsbedingt gucken die besockten Füße des Anprobanden unten und der knallrote Kopf oben aus dieser halboffenen Designfolterkammer heraus. Bei ausladenden Bewegungen, wie sie etwa das vergebliche Hochziehen einer zu engen Buxe unweigerlich hervorruft, stößt man die Tür immer versehentlich auf und steht in Unterhose mitten im Kaufhaus. Dieser Teil entfällt allerdings, wenn statt der Saloon-Tür ein in der Mitte geteilter Vorhang installiert wurde, der sich gar nicht erst vollständig schließen lässt.

Aber auch in der konventionellen Reihenkabine ist man nicht wirklich für sich, weil einen die dünnen Wände intensiv am Geschehen nebenan teilhaben lassen. Wobei es durchaus Trost verspricht, wenn man von dort erst urtümliche Grunzlaute und dann den Ausruf "Hilde, dat is doch nie im Leben Größe 36" hört. Andere Menschen sind also auch zu klein für ihr Gewicht ...

Bis die Tage!

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