Nach Toreschluss - die Wochenend-Satire Untotentanz

Wieso wünscht man Silvester eigentlich einen "Guten Rutsch"? Beim Rutschen geht es doch normalerweise abwärts, was für Wuppertaler kaum noch möglich erscheint, weil wir 2014 schon am Tiefpunkt angekommen sind.

 Rundschau-Redakteur Roderich Trapp.

Rundschau-Redakteur Roderich Trapp.

Foto: Bettina Osswald

Apropos Tiefpunkt: Weihnachten und Neujahr kommen ja immer zwei neue Folgen vom "Traumschiff". Da sicherlich nur ihre Nachbarn und keinesfalls Sie selbst für die atemberaubenden Einschaltquoten verantwortlich sind, wissen Sie natürlich nicht, dass in der Weihnachtsfolge unser in Beyenburg heimisches Schauspieler-Paar Ann-Kathrin Kramer und Harald Krassnitzer mit an Bord war. Die beiden mussten sich ihre Kreuzfahrt nach Mauritius allerdings hart erarbeiten, weil die im Gegenzug dafür von ihnen darstellerisch umzusetzende Geschichte eher wirr war.

Ich fasse die Eckpunkte mal zusammen: Die Tochter der in Mauritius aufgewachsenen Mutti ist gar nicht von Vati, sondern vom Plantagenarbeiter, und kriegt deshalb jetzt beim Schiffsarzt ein Baby, das farblich nicht zum darob vergrätzten Schwiegersohn passt, obwohl eigentlich Papi der Gehörnte ist, weshalb man für die im Indischen Ozean geplante Feier der Silberhochzeit schwarz sehen muss, bis am Ende doch noch alles gut wird.

Um dem Zuschauer in diesem Beziehungsgeflecht die Orientierung zu erleichtern, sprechen wie immer alle Bewohner von Mauritius fließend Deutsch, während die noch vor Beginn der Kanzlerschaft Helmut Kohls in Dienst gestellte Chefstewardess Beatrice für den philosophischen Überbau sorgt. Deren seit 1981 in dieser Rolle gefangene Darstellerin Heide Keller ist inzwischen 73 und wird mit letzter Kraft von einer Uniform Größe XXL in Form gehalten. Kapitän und Bordarzt haben inzwischen teils mehrfach gewechselt, aber Beatrice muss so lange weitermachen, bis sie direkt als Untote zur Besatzung des Geisterschiffs "Flying Dutchman" aus "Fluch der Karibik" wechseln kann.

Mit dem Thema "Untote" hätten wir auch elegant zur Neujahrsfolge übergeleitet. Komplexester Handlungsstrang hier: Ein berühmter Naturfotograf kommt in der kanadischen Wildnis gar nicht ums Leben, ist aber vorübergehend trotzdem tot, bis er an Bord des Traumschiffs wieder aufersteht, wo sein talentfreier ehemaliger Assistent gerade ein Verhältnis mit der Fotografengattin hat und die Bilder des Scheinverstorbenen als seine eigenen vermarktet, was von langer Hand geplant war, weil der Assi den Meister einst wissentlich im Gelände liegen ließ. Auf dem Höhepunkt der Spannungskurve rollen beide beim Landausflug in eine Art Murmelbach, werden beinahe von dem Rinnsal mitgerissen und dann rechtzeitig zum Kapitänsdinner gerettet. Bei dem muss der böse Assistent dann zur Strafe ganz alleine am Tisch sitzen, was die Traumschiff-Höchststrafe darstellt.

Weil vermutlich immer weniger Leute im Urlaub mit Krawatte in den Pool gehen möchten, ist das Traumschiff "MS Deutschland" jetzt übrigens pleite. Der mit 80 Jahren noch am Anfang seiner öffentlich-rechtlichen Karriere stehende Traumschiff-Produzent Wolfgang Rademann soll bereits Ersatz gefunden haben. Neues Traumschiff wird der 1991 in Japan gebaute Dampfer "MS Amadea". Sie sehen: Es kann also auch vom Tiefpunkt aus noch abwärts gehen ...

Bis die Tage!

(Rundschau Verlagsgesellschaft)
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