Kommentar: Tanztheater in Aufbruchstimmung Richtigen Zeitpunkt gefunden

Wuppertal · Bereits ein Jahr nach dem Tod von Pina Bausch wurden Stimmen laut, die einen Neuanfang des Tanztheaters mit einem anderen Choreographen forderten. Doch diese Forderung kam zu früh. Das Ensemble selbst war für diesen Schritt noch nicht bereit, zu tief saß die Trauer über den Tod Pinas.

 Rundschau-Redakteurin Sabina Bartholomä.

Rundschau-Redakteurin Sabina Bartholomä.

Foto: Bettina Osswald

Und dennoch hat der Neuanfang viel früher begonnen, als für Außenstehende erkennbar. Die Compagnie hat sich geöffnet, dieser Schritt passierte von innen heraus, war nicht diktiert, sondern Entschluss der Tänzer. Erste eigene Choreographien entstanden, wurden im "Café Ada" und der Zeche Zollverein gezeigt, vom Wuppertaler Publikum begeistert begleitet. Im nächsten Schritt suchte man neue Spielplätze innerhalb der Stadt, ungewöhnliche Orte, ganz nah an den Menschen dieser Stadt. Mit "Underground" entstand ein Format das zeigte, welche Kreativität auch nach dem Tod von Pina Bausch diese Tänzer quer durch alle Generationen haben. Zoo, Fabrikhalle und ein zugiges Parkdeck boten hierfür den Rahmen. Dazu kam der Erfolg des Wuppertaler Tanztheaters bei Gastspielen rund um den Globus, der wichtig war, um das Ensemble durch diese schwierige Zeit zu tragen.

Behutsam setzte eine Verjüngung des Ensembles ein, hier zeigte sich erstmals, dass auch Tänzer, die nie mit Pina gearbeitet haben in der Lage sind, ihre Choreographien auf die Bühne zu bringen, dass das Werk der Choreographin zeitlos ist, seine Aussagekraft nicht schwächer wird.

Sechs Jahre nach dem Tod von Pina Bausch ist Ruhe eingekehrt, hat sich das Ensemble stabilisiert, ist nun bereit, Neuland zu betreten. Vier Choreographen werden mit dem gesamten Ensemble drei Stücke erarbeiten, diese zu einem abendfüllenden Werk verknüpfen, vier Künstler, deren Namen auf den ersten Blick den meisten nicht viel sagen, die jedoch mit Bedacht gewählt wurden. Sie alle haben bereits bewiesen, dass sie eine eigene, unverwechselbare Handschrift haben, nicht versuchen werden, Pina Bausch zu imitieren.

Ein schwieriger Schritt für Tänzer und Choreographen, denn nicht im stillen Kämmerchen können sie experimentieren, sondern unter den Blicken der Öffentlichkeit. Und kein leichter Schritt für das Wuppertaler Publikum, das bekanntlich zögernd auf Neues reagiert. Das ist nun gefordert, sich auf neue Sichtweisen einzulassen, nicht zu vergleichen, ein faires Urteil zu fällen. Denn der Neuanfang ist ein Zugewinn, der garantiert, dass Tanz und Tanztheater in allen möglichen Formen fester Bestandteil dieser Stadt bleiben, dass Stadt, Land und Bund das Erbe von Pina Bausch pflegen.

Eins haben Tänzer und künstlerische Leiter dieses Ensembles unter Beweis gestellt, bei ihnen ist das Lebenswerk der Wuppertaler Choreographin in den besten Händen, wird lebendig erhalten und an die nächste Generation übergeben. Ganz im Sinne von Pina Bausch, die auch nach dem Ende ihrer Arbeit Wuppertal weiter als ein Zentrum des Tanzes mit einem herausragenden Tanztheater sehen wollte.

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