Kommentar zu einer gescheiterten OB-Kandidaten-Suche Man muss es wirklich wollen ...

Frage: Was hat der Job des Fußballtrainers mit dem des Oberbürgermeisters gemeinsam? Antwort: Viele denken, sie könnten es (besser), bei den wenigsten stimmt es — und wieder wenige haben letztlich überhaupt den Mut dazu.

 Rundschau-Redakteurin Nicole Bolz.

Rundschau-Redakteurin Nicole Bolz.

Foto: Bettina Osswald

Das musste die Bürgerplattform "Wuppertal 3.0" in der vergangenen Woche schmerzlich erfahren. Angetreten, am Ende ihres Dialogprozesses einen geeigneten — und aussichtsreichen — OB-Kandidaten zu präsentieren, scheiterte die breit aufgestellte Initiative um den Arrenberger Unternehmer Jörg Heynkes auf den letzten Metern besonders tragisch an ihrem Ziel.

Heynkes selbst hatte es bei der Pressekonferenz resigniert gesagt: "Mit einem guten Kandidaten hätten wir eine sehr große Chance gehabt, in eine Stichwahl zu kommen — und diese auch zu gewinnen." Und man kann ihm nur zustimmen. Niemals waren die Chancen größer für einen Oberbürgermeister, der für eine ganz neue Art von Politik steht, der die Bürger mitnimmt mit seinen Ideen, ihnen zuhört, ihre Sorgen ernst nimmt und nicht über ihre Köpfe hinweg regiert — der sich schlicht als Vertreter ihrer Interessen sieht.

Das Stichwort Bürgerbeteiligung, das sich "Wuppertal 3.0" groß auf die Fahnen geschrieben hat — es ist genau das, was unserer Stadt aktuell so schmerzlich fehlt. Und so gab es bei den fünf Themenveranstaltungen nicht nur den Zuspruch einer Gruppe engagierter politikinteressierter, aber "Große Kooperation"-frustrierter Bürger, sondern auch viel Lob von kritischen Denkern wie Uwe Schneidewind (Wuppertalinstitut) und Hans Lietzmann (Politikwissenschaftler). Sie alle hatten große Hoffnungen gesetzt in das Projekt "3.0". Hoffnung, dass sich mal wieder etwas bewegt in dieser Stadt, bevor auch der letzte Wuppertaler angesichts der viel zitierten "Hinterzimmer-Politik" ohnmächtig resigniert.

Dass sich nun trotz des Zuspruchs kein Kandidat finden wollte, der diese Themen samt einer neuen Beteiligungskultur auch nach außen vertritt, offenbart ein ganz anderes Problem. Kandidaten vom Typ Jörg Heynkes oder Carsten Gerhardt sind es gewohnt, Dinge schnell zu entscheiden und umzusetzen. Sie haben gute und gut bezahlte Jobs, für die sie in der Öffentlichkeit nicht ununterbrochen ihr Gesicht hinhalten, sich am Ende womöglich auch noch dafür kritisieren lassen müssen.

Vor allem Gerhardt, Kopf der "Wuppertalbewegung", hatte zu spüren bekommen, wie sein Engagement für die Nordbahntrasse — und seine damit verbundene kritische Begleitung — von manchen (Medien-)Kreisen immer und immer wieder schlecht geredet wurde. Da bleibt die Frage: Warum sollte er — oder jeder andere vergleichbare Kandidat — sich freiwillig dieser eindeutigen Verschlechterung seines persönlichen Lebens aussetzen?

FDP-Mann Alexander Schmidt wies beim Pressegespräch verbittert mit seinem Finger in eine ganz andere Richtung. Wahlkampf, so Schmidt, könne sich eben nur leisten, wer im Amt sei oder bei einer städtischen Tochtergesellschaft arbeite — und schoss damit gegen SPD-Kandidat Andreas Mucke. Was er dabei ignoriert: Oberbürgermeister wird man nicht mal eben so. Man stellt sich die Frage nicht, als ob man sich im Eissalon zwischen Himbeer und Vanille entscheiden muss. Neben der beruflichen Qualifikation, einem gewissen Bekanntheitsgrad und einer guten Hand bei der Führung von Menschen braucht es nämlich vor allem die Bereitschaft und den unbedingten Willen, Verantwortung für die Stadt zu übernehmen und dies auch über persönliche Befindlichkeiten zu stellen. Egal ob man nun Mucke oder Gerhardt heißt. Es muss einen Moment geben, in dem man sich dieser Aufgabe mit allen Konsequenzen verschreibt. Und dabei entscheiden sich offenbar mehr Menschen wie Gerhardt und weniger wie Mucke. Das hat "Wuppertal 3.0" sträflich unterschätzt.

Für Grüne und FDP, die (auch in Ermangelung eines eigenen erfolgreichen OB-Aspiranten) den Kandidaten von "3.0" unterstützen wollten, hat der mutige Ausflug aus den üblichen Polit-Abläufen nun bittere Konsequenzen. Sie sitzen ohne einen eigenen Mann (oder Frau) da und haben die Wahl zwischen Pest (sie stellen in letzter Minute einen reinen Alibi-Kandidaten auf) und Cholera (sie geben eine Wahlempfehlung ab und unterstützen so einen Kandidaten aus den Reihen der ungeliebten Großen Kooperation).

Weder das eine, noch das andere zu tun wäre die schlechteste Lösung. Wäre dies doch indirekt eine Aufforderung zur Nicht-Wahl. Und das ist das Letzte, was Wuppertal derzeit braucht.

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