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 Nach Toreschluss - Wochenendsatire​: Elberfelds Bodenschätze

Nach Toreschluss - die Wochenendsatire : Elberfelds Bodenschätze

Die Bauarbeiten in der Elberfelder City verzögern sich bis 2034, vielleicht auch noch länger. Möglicherweise müssen sogar das Verlöschen der Sonne in fünf Milliarden Jahren und der Untergang des Universums deutlich nach hinten verschoben werden, weil Archäologen bis dahin immer noch nicht mit der Bestandsaufnahme der Schätze im Untergrund der City fertig sind.

Ich persönlich hatte ja das große Glück, dieser historischen Kostbarkeiten schon im Frühjahr 2010 angesichtig werden zu dürfen. Damals wurden Bauarbeiten am Turmhof unterbrochen, weil dabei Reste der Burg Elberfeld auftauchten. Und zwar in Form einer Reihe von Pflastersteinen, die man in dieser Form auch jederzeit oben auf der Friedrich-Ebert-Straße oder in einem gut sortierten Baustoff-Fachhandel wie Schade+Sohn finden würde. Weil die Fundstelle zwischen zwei Handyläden lag, war ich ziemlich sicher, dass es sich um Grundmauern der ehemaligen Telefonzentrale der Burg handeln musste. Meine Vermutung hat bis heute niemand offiziell widerlegt.

Verglichen mit bedeutenden Altertümern wie Schloss Burg oder der Porta Nigra waren die paar Steinklötzchen unter dem Strich aber allenfalls eine Akropolis für ganz Arme, mit der selbst die relativ anspruchslosen Wuppertaler nichts anfangen konnten. Deshalb wurde die Fundstelle nach ausgiebiger Würdigung durch sehr langsames akademisches Fachpersonal einfach wieder zugeschüttet und mit einem Schild versehen, das übersetzt etwa Folgendes aussagt: „Für zukünftige Generationen: Hier unten liegt eine Burg. Wenn ihr Geld habt, könnt ihr die ausbuddeln.“

  • Briefkästen – ebenfalls eine aussterbende Spezies.
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  • In echt gibt es sie, aber
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  • Man würde sie wählen ...
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Geld haben wir zwar immer noch nicht, aber die historischen Klötze jetzt trotzdem wieder am Bein. Völlig überraschend waren sie nämlich immer noch da, als man voriges Jahr die gesamte Fußgängerzone verrohren wollte, auf dass ganz Elberfeld von wohliger Fernwärme und irgendwann in ferner Zukunft auch von städtebaulicher Wohligkeit profitiere.

Nun ist es aber so, dass inzwischen jeder Kieselstein, den ein besoffener Ritter vor 600 Jahren mit dem eisernen Fuß angestupst hat, kraft Gesetz ein bedeutendes Denkmal ist. Und zwar so hochgradig bedeutend, dass man seiner lückenlosen Dokumentation und Erforschung problemlos die komplette Geschäftswelt einer Großstadt und sämtliche Nerven ihrer Bevölkerung opfern kann.

War die Stadtmauer 200,2 oder 202,3 Meter lang? Gab es getrennte Toiletten für männliches, weibliches und diverses Hofpersonal und finden sich Nachweise dafür, dass die Knappen Mindestlohn bekamen? Wurden die Hühner 1494 innerhalb der Burgmauern artgerecht gehalten und waren die Aushänge mit den Namen demnächst Hinzurichtender eigentlich mit den zeitgenössischen Datenschutz-Regularien vereinbar? Wer von uns könnte noch ruhig schlafen, so lange diese Fragen nicht wissenschaftlich hieb- und stichfest beantwortet sind ...

Während also promovierte Schliemänner und Schliefrauen mit dem Vergrößerungsglas monatelang regungslos in die Erdlöcher starren, schauen wir auch nach unten und sehen die letzten verbliebenen Geschäfte auf der Poststraße am Boden liegen.

Wenn sie pleite sind, können wir dort vielleicht Souvenirshops einrichten, in denen Erinnerungsstücke an das Museumsdorf Elberfeld verkauft werden, das jährlich von zwei Millionen Touristen nicht besucht wird.

Im Wort „Denkmal“ steckt ja genau genommen auch der Imperativ „Denk mal!“ drin. Vielleicht sollte in diesem Fall langsam irgendjemand damit anfangen ...

Bis die Tage!