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 Nach Toreschluss - Wochenendsatire​: Stadt der Genügsamkeit

Nach Toreschluss - die Wochenendsatire : Stadt der Genügsamkeit

In der Düsseldorfer City gibt es bekanntlich viele Juweliergeschäfte. Die haben im Schaufenster so viele Klunker liegen, dass sich damit der Wuppertaler Schuldenberg locker zweimal abtragen ließe. Ähnliches gilt für die dort ansässigen Modegeschäfte, vor denen gerne Schlangen stehen, weil ihre Fummel so exklusiv sind, dass sie Kunden eher ungern Eintritt gewähren.

Menschenaufläufe wie vor dem Gucci-Store kennen wir in Wuppertal nur von ver.di-Kundgebungen, womit einer der großen Unterschiede zwischen Düsseldorf und Wuppertal deutlich wird. Deshalb ist es auch nicht weiter überraschend, dass in Düsseldorf vornehm auf der Königsallee geshoppt wird, während es bei uns in bester Citylage nur für eine Herzogstraße gereicht hat. Und ein paar Meter weiter liegt bezeichnenderweise die Genügsamkeitsstraße, die ich noch in keiner einzigen anderen deutschen Innemstadt entdeckt habe.

In der Nähe der Genügsamkeitsstraße sah ich neulich zwei betagte Wuppertalerinnen vor dem Schaufenster eines Bekleidungsgeschäftes stehen, von denen es neben vergrabenen Burgruinen und Handyläden entgegen anderslautenden Gerüchten immer noch einzelne gibt. Die eine Omma zeigte hier auf ein Teil in der Auslage und fragte die andere: „Ich kann dat Schild nich lesen. Watkostat Kleid?“ Antwort: „Vierönseksich Öiro.“ – „Wat? Dat is aber düer för sonn Lappen ... – „Hatze etwa gedacht, dat gipptet für lau?“

  • Briefkästen – ebenfalls eine aussterbende Spezies.
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  • In echt gibt es sie, aber
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  • Man würde sie wählen ...
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Das ist ein nur ein putziger kleiner Dialog, der mit seiner abgrundtiefen Bodenständigkeit gleichwohl ganz viel über unsere Stadt verrät. Schon die einleitende Frage zeigt, dass wir hier eben nicht auf der Königsallee unterwegs sind, wo nie auf den Preis, sondern immer nur darauf geachtet wird, ob Paris Hilton oder Leni Klum die sackförmige Jogginghose für 849 Euro auf Instagram auch schon mal an hatten.

In Wuppertal stellt sich die Frage nach dem Preis dagegen ständig, deshalb wird sie von den sparsamen Einwohnern auch sinnvollerweise gleich selbst auf das notwendigste reduziert. „Watkostat“ spart gegenüber dem Hochdeutschen „Was kostet das“ rund 33 Prozent Buchstaben und steht damit sinnbildlich für die Wuppertaler Abneigung gegen Protz und Verschwendung.

Passend dazu werden auch Zahlen durch die robuste Behandlung mit der heimischen Dialekt-Diät im Umfang reduziert und geerdet: In „Vierönseksich“ schwingt schon durch die düstere Klangfarbe die Grundüberzeugung mit, dass für Wuppertaler unabhängig vom Preis sowieso alles zu teuer ist. Dabei wirkt sich auch die Tatsache aus, dass die Einheimischen genau das von ihrer Stadt seit Jahren vorgelebt bekommen. Die kann sich selbst ja auch schon seit Jahrzehnten gar nichts mehr leisten, außer es ist von Pina Bausch.

Nicht umsonst haben Wuppertaler daher auch eine große Neigung zu Gratis-Angeboten, für die es einen eigenen kleinen Begriffskosmos gibt. Ob man etwas für Umme, für Nüsse, für umsonst oder für lau kriegt, ist im Prinzip völlig egal. Hauptsache, es kostet nichts. Für lau ist also super, Lauscheppen dagegen nicht. Der Lauschepper lebt schließlich auf Kosten anderer und ist damit im genügsamen Wuppertal etwa so beliebt wie Fans von Rot-Weiß Essen oder die Autobahn GmbH.

Ein bisschen aufpassen müssen Zugereiste übrigens bei der Redewenung „für Nüsse“. Die bedeutet nämlich nicht nur umsonst im monetären Sinne, sondern kann auch heißen, dass man etwas umsonst gemacht hat. Das NRW-Schulministerium hat zur Veranschaulichung dieses Unterschieds eigens letzten Montag das Hochladen der Abiturklausuren verkackt. Die punktgenaue Vorbereitung der Reifeprüflinge auf den daraufhin verschobenen Klausurtermin war also für Nüsse.

Für die Schulministerin könnte die Sache dagegen teuer werden. Wenn Sie sich jetzt fragt „Watkostat?“, wäre meine Antwort: „Den Job.“

Bis die Tage!