Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Hamburger mit Kufen

Wuppertal · Liebe Leute, das darf doch echt nicht wahr sein: Da wollte ich am Freitag gerade zur Glosse des Jahrzehnts ansetzen, als mich plötzlich ein Würfelhusten überkam, den man in freier Wildbahn in dieser Form zuletzt bei Helmut Schmidt gehört hat.

 Roderich Trapp.

Roderich Trapp.

Foto: Wuppertaler Rundschau/Max Höllwarth

Meiner war aber nicht Mentholzigaretten-induziert, sondern das Resultat fieser kleiner Viren, weshalb alsbald auch die Nase zusammen mit mir Richtung Schlafzimmer lief.

Wie bei Männern nicht unüblich verständigte ich zunächst meine Frau, auf dass sie alles stehen und liegen und mir in dieser gesundheitlichen Krise eine umfassende pflegerische Betreuung angedeihen lasse. Leider reichten weder mein Husten noch ein zutiefst leidender Gesichtsausdruck dafür, sie von der Notwendigkeit dieser Maßnahme zu überzeugen.

Selbst die Nahtoderfahrung, als das Fieberthermometer plötzlich 37,5 Grad zeigte, nahm sie nicht ernst, sondern stellte mir zwei Aspirin und viel Flüssigkeit hin, lehnte auch meine dringende Bitte ab, den Ordner mit unseren persönlichen Unterlagen vorsorglich bereitzustellen und ging zur Arbeit. Im Rausgehen murmelte sie etwas, das wie das Wort „Männerschnupfen“ klang.

Ich blieb allein zurück und überlegte, ob ich Gesundheitsminister Lauterbach über die Situation in Kenntnis setzen sollte, damit er mir für den Fall einer dramatischen Verschlimmerung der Symptome oder eines Fieberanstiegs auf 38 Grad ein darauf spezialisiertes Krankenhaus empfehlen könne. Demnächst soll das ja so laufen, dass man sich erst über die Spezialgebiete einzelner Kliniken kundig macht und dann die dafür passenden Krankheiten bekommt.

Dr. Lauterbach war aber, wie im Prinzip alle Ärzte, natürlich nicht zu erreichen, so dass ich allein im Bettchen vor mich hin litt. Mit zittriger Hand warf ich dann den Fernseher an und stieß auf die als TV-Sendung getarnte Geißel der Menschheit namens „Ich bin kein Star, holt mich hier raus!“.

In der Hoffnung, dass der dort als Dschungelmediziner praktizierende Dr. Bob vielleicht ein paar Gesundheitstipps für mich aus Australien rüberschicken könnte, setzte ich meinen Körper todesmutig dem Anblick von Eishörnchen aus Krokodilhoden naschenden Minusbrötchen der Fernsehgeschichte aus. Statt Dr. Bob war da aber nur ein seltsamer Typ, der die Brille eines Finanzbeamten aus den 60er Jahren und die beiden Zöpfe von Ntschotschi aus Winnetou I auftrug.

Ich schaltete also um auf das zweite in diesen Tagen omnipräsente TV-Programm: Wintersport, bis einem vor Langeweile das Blut in den Adern gefriert. Zu diesem Zweck zeigt das öffentlich-rechtliche Fernsehen schwerpunktmäßig Rennrodeln. Beim Rennrodeln fahren Männer und Frauen nacheinander auf viel zu kleinen Schlitten durch einen Eiskanal und heben sich dabei nur dadurch voneinander ab, dass ihre Rennanzüge unterschiedliche Farben haben.

Diese Rennanzüge werden aus Saitlingen von Böklunder Bockwürstchen zusammengenäht und würden selbst Heidi Klum nicht stehen. Wenn alle unten sind, hat irgendjemand aus meistens unerfindlichen Gründen mit einer hunderttausendstel Sekunde Vorsprung gewonnen. Das ist ungefähr so spannend, wie der Füllstandsanzeige eines Heizöltanks bei der Abwärtsbewegung zuzugucken.

Unglücklicherweise gibt es inzwischen mehr Rodel-Disziplinen als Leute, die sich dafür interessieren: Einsitzer, Doppelsitzer, Staffel und demnächst wahrscheinlich auch Dreisitzer, die dann einem Hamburger mit Kufen drunter nicht unähnlich wären. Nach dem Rodeln kommt übrigens Skeleton, wobei es sich um Rodeln auf dem Bauch mit dem Kopf nach vorne handelt. Ich warte jetzt noch auf Rückwärtsrodeln, das wäre dann vielleicht etwas interessanter.

Ups, jetzt habe ich mich so übers Fernsehen aufgeregt, dass ich ganz vergessen habe, krank zu sein. Das Thermometer zeigt nur noch 36,5 Grad und Helmut Schmidts Husten hat sich auch wieder auf den Rückweg Richtung Hamburg gemacht. Ich sage also den Termin beim Bestatter ab, mache das Rodeln aus und gehe an die frische Luft. Nur die Nase läuft noch ein bisschen. Aber sagen Sie das bitte nicht meiner Frau, die macht sich sonst nur unnötig Sorgen ...

Bis die Tage!

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