1. Kolumne
  2. Toreschluss

Nach Toreschluss - die Wochenendsatire: Das neue „beschissen“

Nach Toreschluss - die Wochenendsatire : Das neue „beschissen“

In unserer modernen Welt kommen ja dauernd neue Begriffe auf uns zu. Erst vor kurzem erfunden wurde „herausfordernd“. Also in Sätzen wie: „Der Ausfall der Schwebebahn ist für die Stadtwerke eine herausfordernde Situation.“ oder „Durch Corona leben wir in herausfordernden Zeiten.“ „Herausfordernd“ ist demnach das neue „beschissen“ und sehr beliebt bei allen, die gerne um den heißen Brei herumreden.

Wer mal in den Duden guckt, wird allerdings feststellen, dass „herausfordernd“ genau genommen „durch unverhohlen aufreizende, anmaßende Art eine Reaktion verlangend“ bedeutet. Ob man der Schwebebahn jetzt vorwerfen kann, dass sie aufreizend und anmaßend kaputt gegangen ist, weiß ich nicht. Und Corona macht ja eigentlich auch nur das, was ein Virus nun mal tun muss.

Trotzdem scheint „herausfordernd“ nicht zu stoppen zu sein. Als Politiker muss man heute auf jeden Fall „herausfordernd“ sagen, auch wenn einfach nur „schwierig“ gemeint ist. Gibt man die Stichworte „Altmaier“ und „herausfordernd“ zusammen in Google ein, bekommt man 17.500 Fundstellen, in denen der Wirtschaftsminister über „herausfordernde Zeiten“ und „die herausfordernde Situation“ spricht. Altmaier hätte natürlich auch 17.500 Mal „schwierige Zeiten“ oder „schwierige Situation“ sagen können. Das ist aber undenkbar, denn es hört sich nicht lösungsorientiert genug an. „Herausfordernd“ impliziert dagegen, dass man die Herausforderung auch meistert, was im Hinblick auf Politiker lebenspraktisch zwar eher unwahrscheinlich ist, aber sprachlich wenigstens so wirkt.

  • Seltenes Bild: die Schwebebahn im Doppelpack.
    Am Freitag : Defekt stoppt Wuppertaler Schwebebahn
  • Symbolbild.
    Aktuelle Zahlen von Freitag, 17. Juli 2020 : Corona-Virus: 30 Wuppertaler infiziert
  • Die Entwicklung der Corona-Zahlen in Wuppertal
    Aktuelle Zahlen von Mittwoch, 22. Juli 2020 : Corona-Virus: 27 Wuppertaler infiziert

Deshalb bin ich sehr froh, dass die Wuppertaler schon vor geraumer Zeit sehr viel charmantere Wortgebilde gefunden haben, um suboptimale Tatbestände freundlich zu umschreiben. Zum Beispiel, wenn es um Menschen geht, die viel zu dick sind. Nehmen Sie zum Beispiel den schon erwähnten Herrn Altmaier, dessen Leibesfülle bekanntermaßen proportional zu seinem politischen Einfluss gewachsen ist. Über so jemanden würde der Wuppertaler trotzdem niemals sagen „der ist aber dick“, sondern „der ist gut dabei“. Das bringt niemanden in Verlegenheit, aber alle wissen, was gemeint ist. In Politikerkreisen müsste man heute wahrscheinlich sagen „Er hat einen herausfordernden Körperumfang“, aber das wäre schon im Ansatz viel unhöflicher.

Wenn eine Mutter ihr Neugeborenes zeigt und es sich um ein rothaariges Baby mit ungefähr einem Pigment pro Quadratmeter Haut handelt, das lebenslang sonnenbrandgefährdet ist, wird der Wuppertaler Verwandte liebevoll vom „Bläuken“ sprechen. Kommt der Bürgermeister zum Gratulieren, würde der sich dagegen einen abbrechen und am Ende darauf hinweisen, dass dieses Kind im Hinblick auf die UV-Belastung vor herausfordernden Sommern steht.

Selbst der Wuppertaler hat allerdings keine Worte mehr für die Lage beim WSV. Ob die Situation da noch herausfordernd oder einfach nur schwierig ist, kann man von außen schlecht beurteilen. Früher hatten die auf der Geschäftsstelle einen Taschenrechner, um die ganzen Tore von Meister Pröpper aufzuaddieren. Heute ist das Gerät  wieder im Einsatz - zum Zusammenrechnen der Schulden. Wenn ich es richtig verstehe, hat man zwar kein Geld, aber jetzt schon mal einen Trainer, zwei Co-Trainer, einen Torwarttrainer und einen Teammanager. Weitere Verpflichtungen sollen unmittelbar bevor stehen. Es wird sich wahrscheinlich überwiegend um finanzielle handeln. Ich glaube, das wird eine ziemlich herausfordernde Saison ...

Bis die Tage!