Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Der Heimat(s)preis

Wuppertal · Unsere Heimat rückt in diesen Tagen mehr denn je in den Fokus, weil die Fremde ja weitgehend gesperrt ist. Da passt es schön, dass die Stadt Wuppertal der Aufforderung des Landes NRW gefolgt ist und einen „Heimatpreis“ beschlossen hat.

Roderich Trapp.

Foto: Max Höllwarth

Anders, als der Name vermuten lässt, geht es dabei nicht darum, einen Tarif für den Verkauf Wuppertals an ausländische Investoren festzusetzen. Vielmehr handelt es um die Auslobung eines Preises für Menschen, die sich ehrenamtlich um die Heimat verdient gemacht haben.Nun definiert sich Heimat ja unter anderem über Sprache. Voriges Jahr hörte ich mal beim Restaurantbesuch weit außerhalb Wuppertals einen mit seiner Kartoffelbeilage unzufriedenen Gast am Nebentisch sagen: „Die Krokä-ön in dem Drietladen hier kannze ok vergeeten ...“. Da wusste ich todsicher, dass der Mann aus meiner Heimat kommt. Umso bedauerlicher, dass der Heimatpreis selbst es an sprachlicher Präzision fehlen lässt. In der offiziellen Drucksache der Stadt Wuppertal zu seiner Auslobung ist nämlich abwechselnd von „Heimatpreis“ und „Heimatspreis“ die Rede. Ja wie denn nun?

Wir stehen hier ratlos vor einem der größten Geheimnisse der deutschen Sprache: dem Fugen-S. Fugen kennen wir überwiegend von Arbeiten im Sanitärbereich, wo sie kunstvoll verfüllt werden müssen, damit man nicht zwischen zwei Fliesen hindurchfällt. Das ist vergleichsweise alternativlos. Im sprachlichen Bereich, wo zwei Wörter verfugt werden müssen, hat man dagegen durchaus Alternativen. Genau genommen gibt es mehr Regeln zum Einsatz oder Nicht-Einsatz des Fugen-S als Wörter in denen es vorkommen könnte, was selbige im Prinzip sinnlos macht.

Ich habe das Problem des Heimat(s)preises vorgestern ausgiebig mit einem Deutschlehrer diskutiert. Er nahm dazu Band 9 des Duden zur Hand, der sich mit richtigem und gutem Deutsch beschäftigt und deshalb ein ziemlicher Ladenhüter ist. Daraus trug er mir vor, dass bei Zusammensetzungen, deren erster Bestandteil auf -el endet, kein Fugen-S steht. Aber erzählen uns nicht gerade viele Eltern davon, dass ihre seit Wochen mangels Schulunterricht zu Hause marodierenden Kinder wahre Teufelsbraten sind? Das brachte meine Frau auf die Idee, dass das Fugen-S möglicherweise immer steht, wenn der berühmte Wuppertaler Genitiv (dem Teufel sein Braten) zum Einsatz kommen kann. Da wir gerade beim Grillen waren, hatte sie spontan eindrucksvolle Beispiele parat: Rindswurst (dem Rind seine Wurst), Schweinsbraten (dem Schwein sein Braten) und passend zum Vatertag auch noch Kindsvater (dem Kind sein Vater).

„Dann müsste es aber auch Lammsbraten heißen“, warf ich ein und ließ den Einwand, es gäbe ja durchaus die bekannte Politiker-Dynastie der Grafen Lambsdorff, nicht gelten. Auf dem Weg zum Bierholen musste ich zudem die Kellertreppe runter, die demnach eigentlich die Kellerstreppe wäre. Kellerstreppe sei falsch, weil das erste Wort auf -er endet und dann stünde kein Fugen-S, zitierte der Lehrer aus dem Duden. „Aber was ist mit Altersflecken, die sehr hinderlich sind, wenn man auf Freiersfüßen ist“, wandte ich ein und hinterließ damit große Ratlosigkeit.

Nun ist es aber so, dass Heimat weder auf -el noch auf -er endet, so dass folgende Duden-Regel greifen könnte: Das Fugen-S steht im Allgemeinen nicht bei Zusammensetzungen, deren erster Bestandteil weiblich ist und nicht auf -ion, -tät, -heit, -keit, -schaft, -sicht, -ung oder einen Zischlaut endet. Dann wäre Heimatpreis richtig. Allerdings hörte ich auch vom Weihnachtsgeschenk und Gebetsräumen. Wo kommen die dann her?

Fragen über Fragen, auf die der Bearbeiter der Heimat(s)preis-Drucksache alle paar Zeilen eine andere Antwort gefunden hat. Das Heimatministerium in Düsseldorf, das eventuell gar nicht weiß, dass es laut Duden ein Heimatsministerium ist, hat eine ganz andere Lösung für das Problem gefunden: Sein Runderlass regelt die „Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Umsetzung des Förderprogramms Heimat-Preis“. Das ist erstens ein Wortgebilde, an dem man sehr schön die gruselige Lust von Verwaltungseinheiten an permanenten Substantivierungen ablesen kann. Und zweitens der Beleg dafür, dass man sich im Ministerium durch ein Einsatz des Bindestrichs vor einer Entscheidung in der Fugen-S-Frage gedrückt hat.

Keine Frage ist allerdings, dass ausgerechnet das Heimatministerium beim Entwurf des Logos für den Heimatpreis komplett versagt hat. Da drauf steht nämlich in Großbuchstaben oben in grün „HEIMAT“ und da drunter in Pink „PREIS“. Und zwei zusammengesetzte Hauptwörter ohne Bindestrich nebeneinander zu stellen gehört unter dem Begriff Deppen-Leerzeichen zu den größten deutschen Sprachsünden überhaupt. Das Ministerium hat den Heimatpreis damit schon mal nicht verdient ...

Bis die Tage!