Kommentar über die Bedeutung des Klimaquartiers Aufbruch made in Wuppertal

Wuppertal · Berlin sei arm, aber sexy, hat der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit einst über seine Stadt gesagt. Ersetzt man "sexy" durch "spannend", dann muss man diesen Satz auf Wuppertal bezogen unbedingt unterstreichen.

Kommentar über die Bedeutung des Klimaquartiers: Aufbruch made in Wuppertal
Foto: Bettina Osswald

Finanzielle Mittel gibt es kaum, aber überall dort, wo die Kommune kein Geld hat, um selbst aktiv zu werden, entstehen Freiräume — räumliche und gedankliche — die in den vergangenen Jahren immer mehr mit Leben gefüllt wurden. Allen voran in Utopiastadt und am Arrenberg.

So unterschiedlich beide Projekte sein mögen, die Frage "Wie wollen wir in Zukunft leben" setzt hier eine inhaltliche Klammer. Es geht um einen Wandel, mehr Nachhaltigkeit, mehr Gerechtigkeit, mehr Lebensqualität. Wuppertal ist dabei zugleich Vordenker und Reallabor — und für Forscher aus ganz Deutschland aktuell überaus spannend.

Das beweist etwa das Programm zum Geburtstag des Wuppertal Instituts Anfang September. Statt der üblichen vornehmen Häppchen samt Smalltalk-Garnitur bekommen die Gäste die Möglichkeit, den Arrenberg oder Utopiastadt selbst zu erkunden. Sie treffen dort auf die Menschen, die den Gedanken des Wandels mit Leben füllen. Die sich engagieren für ihren Stadtteil, Tag für Tag. Bewirtet werden die Wissenschaftler am Arrenberg überwiegend von den Bewohnern selbst, die bei einer Sonderausgabe des "Restaurant Days" ihre Wohnzimmer und Gärten öffnen. Mehr Lob für und Vertrauen in ein Projekt gibt es nicht! Wie großartig also, dass ein Mann wie Uwe Schneidewind als Kopf des Wuppertal Instituts genau so denkt und solche Schritte geht.

Wichtig ist dies aber nicht nur als Anerkennung und Motivation für die Macher. Bei solchen Begegnungen werden weitere Ideen geboren, Pläne geschmiedet, Netzwerke gesponnen. Es geht darum, dass sich mehr Menschen für das Projekt begeistern, zu Fürsprechern und Komplizen werden.

Wuppertal steht nicht länger als Synonym für Armut und Perspektivlosigkeit, sondern wieder für Aufbruch und Fortschritt. Auch das werden die Gäste des Kongresses von diesem Tag mitnehmen — und weiter sagen.

Das Klimaquartier Arrenberg mit seinen verschiedenen Facetten mag manchem Wuppertaler versponnen erscheinen, die Vision der Arrenbergfarm in ihrem Ausmaß überambitioniert — doch nur so werden Dinge angeschoben, die schwer beweglich erscheinen. Andere werden sich möglicherweise auch an der Frontfigur Jörg Heynkes reiben. Mit seinen kernigen Sprüchen sorgt der Unternehmer regelmäßig für Zündstoff in der Stadt, hat sich auch an der ein oder anderen Idee schon verhoben. Na und? Seine Villa Media hat er zu einem erfolgreichen Unternehmen aufgebaut und mit seiner Energie, seinem Engagement und seiner Hartnäckigkeit immer wieder Dinge angeschoben. Und manchmal braucht es genau so jemanden, um Türen aufzustoßen und Leute mitzunehmen.

Es sind Projekte wie das Klimaquartier oder Utopiastadt, die Wuppertal attraktiver machen. Die Stadt wird neu gedacht, ganze Quartiere aus dem Dornröschenschlaf geholt, Abwärtsspiralen durchbrochen und durch Visionen eines besseren Lebens ersetzt. Sie schaffen das, was weder Konsumtempel noch ein neuer Bahnhof vermögen: Sie schaffen Identität. Und im besten Fall sind sie Inspiration für viele weitere Projekte — Freiflächen hat die Stadt genug.

(nib)
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