Kommentar: Drei Friedhöfe für drei Religionen auf einem Gelände Wieder mal — ein Wuppertal-Signal

Wuppertal · Wer in diesen Wochen Nachrichten sieht oder hört, wer Leserbriefe voller bösartiger Sätze aus ihren Umschlägen nimmt, liest und dann in den Müll wirft, könnte glauben, dass es Frieden zwischen den drei Religionen Christentum, Islam und Judentum nicht mehr (nie mehr) geben kann.

 Rundschau-Redakteur Stefan Seitz.

Rundschau-Redakteur Stefan Seitz.

Foto: Bettina Osswald

Mir fällt Johannes Rau ein, der große Wuppertaler: Sein Motto "Versöhnen statt spalten" ist heute wichtiger denn je. Rau hat diese Drei-Wörter-Devise stets mit Leben zu füllen versucht. Und da passt es sehr gut ins Bild, dass hier in Wuppertal (wieder einmal) etwas entsteht (beziehungsweise zu zwei Dritteln schon längst existiert), das "Versöhnen statt spalten" sehr sichtbar macht.

Dass auf dem Gelände des evangelischen Friedhofes Krummacherstraße am Eskesberg nicht nur Christen, sondern seit Jahren auch schon Juden, und ab etwa Mitte 2018 auch Muslime beerdigt werden, ist nicht nur in Deutschland, sondern weltweit einzigartig. Die Besichtigung des Friedhofs-Areales, die der "Freundeskreis Neue Synagoge" jetzt durchgeführt hat, zeigte, was es bedeutet, wenn so etwas funktioniert: Nähe — trotz scheinbar vieler Grenzen. Frieden — angesichts des Endes des Lebens.

Christen, Juden und Muslime hatten und haben es nicht leicht miteinander. Weil sie es immer wieder zugelassen haben und zulassen, dass Scharfmacher die öffentliche Wahrnehmung dominieren. Scharfmacher, die die Betonung auf das Trennende legen — nicht auf das Gemeinsame.

Und wer die Friedhofsbesichtigung am Eskesberg miterlebt hat, wer zuhörte, wie erstaunlich viele Ähnlichkeiten und Verwandtschaften in Sachen Bestattungs-, Trauer- und Friedhofskultur es bei den drei Religionen gibt, der weiß: Es ist ein gutes Zeichen, dass an der Krummacher Straße solch ein Dreifach-Friedhofsprojekt in aller Stille auf den Weg geschickt worden ist. Und es ist schön, dass das in Wuppertal passiert. Wuppertal ist bundesweit für den Umgang mit der Integration und dezentralen Unterbringung von Flüchtlingen gelobt worden, Wuppertal hat durch "Utopiastadt", Wuppertal Institut & Co. in Sachen neue Formen von (Stadt-)Leben bundesweit Beachtung gefunden. Dass Wuppertal nun auch auf einem religiösen Sektor neue Wege geht, weist weit voraus.

Die Gäste der "Friedhofstour", die von der Christin Ilka Federschmidt, von dem Juden Leonid Goldberg und von Muslim Mohamed Abodahab ausführlich informiert wurden, wissen nun, was ohnehin kein Geheimnis ist: Alle diese drei Religionen haben gemeinsame Wurzeln, kommen aus der selben Kulturregion, haben den selben Stammvater namens Abraham (oder Ibrahim), der in den heiligen Büchern der Christen, Juden und Muslime gleichermaßen eine große Rolle spielt.

Zum Thema passt auch eine Presseerklärung, die Bruno Kurth, Wuppertals katholischer Stadtdechant, in diesen von Anschlägen vieler Art geprägten Tagen veröffentlicht hat. Er sagt: "Jede Religion kann missbraucht werden zur Rechtfertigung von Gewalt. Wir widersprechen, wenn die aktuellen Gewaltexzesse von denen instrumentalisiert werden, die sowieso gegen Flüchtlinge und Fremde sind."

Dem ist nichts hinzuzufügen.

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