Auf der Party im Rathaus am vorletzten Sonntag stimmte sich Matthias Nocke noch auf einen Stichwahlkampf ein, bei dem er kompromisslos kämpft. Gegen die strahlende Siegerin der Erstrunde, Oberbürgermeisterkandidatin Miriam Scherff, die 9,9 Prozent mehr Stimmen holte. Der Tenor des Abends damals: Es könnte hitzig werden.
Beim OB-Duell am vergangenen Montag ist die Angriffslust nun verflogen. Obwohl Stefan Seitz von der Wuppertaler Rundschau und Angela Wegener von Radio Wuppertal die Kandidaten mit Fragen aus der (Floskeln-)Reserve lockten, griffen sich Scherff und Nocke nicht gegenseitig an. Als die Moderatoren für fünf Minuten die Bühne verlassen, um zu testen, wie die beiden die unangekündigte Zeit überbrücken, gab’s eine Runde Smalltalk vom Feinsten.
Scherff und Nocke im Stichwahl-Duell
Nocke: „Was machst Du morgen?“.
Scherff: „Ich glaube nicht, dass wir uns morgen sehen, sehr schade!“
Nocke: „Wir hatten einen sehr schönen gemeinsamen Sommer und wir genießen es jetzt eigentlich, zu zweit zu sein.“ Scherff lacht laut.
Scherff: „Stimmt, die WG, die wir geplant hatten, kommt leider doch nicht zustande.“
Matthias Nocke und Miriam Scherff verstehen sich auf der Bühne. Er lobt ihre bodenständige Art. Sie findet ihn redegewandt und intelligent. Und wieder Scherze: Matthias hätte genau wie sie einen trockenen Humor. Wenn man den einmal verstanden habe, sei es außerordentlich amüsant mit ihm. Eine Sache wäre da noch: Nur einer der beiden kann die kommenden fünf Jahre den Chefsessel im Barmer Rathaus besetzen. Nocke und Scherff wollen beide das Duell gewinnen.
Im Stil zeigen sich Unterschiede. Nocke wählt deutliche Worte: „Unsere Straßen sind grottenschlecht.“ Scherff spricht diplomatischer: „In der Haushaltskonsolidierung konnten viele Dinge nicht angegangen werden. Das ist auch völlig in Ordnung.“ Er inszeniert sich als der Kenner der Verwaltung – und sie als die „frische Kraft“.
Wenn es nach den eingesandten Leser- und Hörerfragen geht, beschäftigt kein Thema die Wuppertaler so sehr wie der Verkehr. Leserin Lea aus Unterbarmen fragt etwa, wie die Pläne zur Fahrradstadt nun aussähen, wogegen Martin aus Wichlinghausen die leeren Fahrradwege kritisiert, auf denen seiner Meinung nach zu wenige Radler unterwegs seien. Scherff fordert eine gleichberechtigte Mobilität: Sie will mehr Busse, auch in den Außenbezirken. Nocke will eine bessere Ampelschaltung am Bahnhof und mehr Busstreifen. Er stellt jedoch fest, dass viele weitere Baustellen kommen werden, etwa wenn das Sonnborner Kreuz umgebaut und der Kiesbergtunnel saniert wird.
Ein weiteres Aufreger-Thema bei den Lesern und Hörern ist Sicherheit: Beide wollen das Ordnungsamt stärken, beide wollen keine Angsträume mehr und beide wollen mehr Beleuchtung in der Nacht. Ebenfalls einig scheinen sich die zwei Anwärter bei Kinder- und Jugendfragen. Sie möchten den Schulbau beschleunigen, ...
... mehr Kita-Plätze und bessere Bildungsbedingungen.
Die Fragen des journalistischen Nachwuchses haben damit dann wenig zu tun. Rundschau-Redakteur Tomas Cabanis und Radio-Wuppertal-Volontärin Nilay Tayyar nutzen ihren Auftritt, um das beliebte Partyspiel „Ich habe noch nie…“ zu spielen. Dabei fehlt zwar der Alkohol, doch den trinkt die Gen Z sowieso immer weniger.
Der Erkenntnisgewinn: Scherff und Nocke haben weder gekifft, noch eine Straftat begangen. Allerdings sind beide auf der Straße inzwischen nach einem Selfie gefragt worden, beide sind im Internet viral gegangen, haben sich selbst schon einmal gegoogelt und haben noch nie am Beruf als Politiker gezweifelt. Es wird auch ernst: Damit mehr Studierende in die Stadt ziehen, brauche es mehr Wohnraum und mehr Werbung, finden die zwei.
Um das umzusetzen, ist Führungsqualität wichtig, bei dem beide auf ähnliche Akzente setzen:
Scherff: „Ich bin durchsetzungsstark, ich habe immer wieder neue Ideen und ich möchte immer lösungsorientiert arbeiten.“
Nocke: „Drei Substantive: Klarheit, Verlässlichkeit und Entscheidungen treffen“.
Als es um die Zusammenarbeit im Rathaus geht, teilt Nocke gegen den ehemaligen Oberbürgermeister Uwe Schneidewind aus: „Es wird ein Oberbürgermeisterbüro alter Prägung nicht mehr geben. Es war entweder früher ein Raumschiff, das in einem Paralleluniversum war, oder ein Tortenaufsatz. Es gab überhaupt keinen Bezug zur Verwaltung, es war ein Eigenleben.“
Miriam Scherff würde beispielsweise gerne einen Beraterstab aufstellen, der aus Personen außerhalb der Verwaltung besteht.
Trotz der Harmonie auf der Bühne sind sich fast alle der 200 Zuschauer im ausgebuchten Saal einig, wen sie am Sonntag wählen wollen. Die Chefredakteure Roderich Trapp von der Rundschau und Georg Rose von Radio Wuppertal sammeln Eindrücke:
Eine Zuschauerin: „Mein Mann hat mich heute Abend hier hingenommen. Es ist mal was anderes, was wir abends machen. Mich hat überrascht, dass Nocke sehr fröhlich wirkt, weil er auf den Bildern so ernst aussieht.“
Ein anderer Zuschauer: „Ich bin von beiden angenehm überrascht.“
Ein weiterer Zuschauer denkt ans Thema Finanzen: „Ich frage mich, wie man das alles bezahlen soll?“