„Sehr geehrte Frau Rektorin Prof. Dr. Wolff, sehr geehrte Mitglieder des Rektorats,
angesichts aktueller Berichte über eine mögliche Schließung des Architekturstudiengangs der Bergischen Universität Wuppertal wenden wir uns mit großer Sorge an Sie. Wir verstehen die Belastungen, die die angekündigten Haushaltskürzungen für die Bergische Universität Wuppertal mit sich bringen. Gerade jetzt wäre das Aus für den Architekturstudiengang das völlig falsche Signal - für die Bergische Wirtschaft und weit darüber hinaus: für die ökologische Transformation des Bauens und für die Wettbewerbsfähigkeit der Region.
Architektinnen und Architekten mit fundierten Kompetenzen im klima- und ressourcenschonenden Bauen sind heute kein ,nice-to-have‘, sondern systemrelevant. Nordrhein-Westfalens Wirtschaft beklagt seit Jahren den Fachkräftemangel - die IHKs warnen, dass bis 2035 Wertschöpfungsverluste in zweistelliger Milliardenhöhe drohen, wenn die Lücken nicht geschlossen werden. Die Bau- und Immobilienbranche bestätigt zugleich, wie schwer qualifizierte Planungs- und Bauberufe zu besetzen sind.
Selbst im aktuellen Umfeld werden laufend Stellen ausgeschrieben: Allein seit dem 1. September listet die Stellenbörse der Architektenkammer NRW über hundert Angebote. Alt das verweist auf eines: Jede kohärente Antwort auf Klimaanpassung, Sanierung des Bestands, Wärmewende und bezahlbaren Wohnraum braucht mehr gut ausgebildete Architektinnen und Architekten – nicht weniger.
Wuppertal ist dafür ein glaubwürdiger Ort. Die Universität hat 2022 den Solar Decathlon Europe nach Deutschland geholt - den international bedeutendsten universitären Architekturwettbewerb, bei dem keine Modelle, sondern echte, funktionierende Gebäude entstehen. Damit haben Stadt und Universität Wuppertal ihre Rolle als Kompetenzstandort für zirkuläres Planen und Bauen eindrucksvoll unterstrichen. Wer heute über kreislauffähige Materialien, Umbaukultur, serielles und digitales Bauen spricht, kommt an Wuppertal nicht vorbei.
Dies basiert auf einer langen Tradition in der architektonischen Ausbildung und besonders auf der sukzessiven, zukunftsorientierten Aktualisierung der Lehre. Der Architekturstudiengang in Wuppertal ist zurzeit der einzige universitäre Studiengang in NRW, der bereits seit den 90er Jahren die Kompetenzen im klima- und ressourcenschonenden Bauen systematisch ausgebaut hat. Dies umfasst in Lehre und Forschung die koordinierte Zusammenarbeit mit jenen Fachdisziplinen, die Architekt innen in der Praxis des nachhaltigen Bauens führen und integrieren müssen.
Ebenso gehört dazu das Erlangen der Bauvorlageberechtigung. Die Allianzen des Fachbereichs mit dem renommierten Wuppertal Institut und dem international agierenden Circular Valley bilden weitere Alleinstellungsmerkmale des Kompetenzstandorts Wuppertal. Die Architekturstudiengänge der Fakultät schneiden im aktuellen CHE-Ranking hervorragend ab.
Architektur liegt in zentralen Kriterien wie Studienorganisation, Betreuung und Praxisnähe in der Spitzengruppe im deutschsprachigen Raum. Diese Qualität ist kein Zufall: Mit Laboren vom TECH-/BIM-Lab über das VR/AR-Lab bis zum Living Lab NRW, mit einem starken Lehr- und Forschungsangebot in der Vermittlung und Weiterentwicklung digitaler Techniken, und mit sichtbaren Erfolgen von Studierenden und Absolventinnen und Absolventen hat der Studiengang eine klare, zukunftsweisende Handschrift.
Eine Schließung träfe nicht nur die Wissenschaft. Sie würde Kommunen, Wohnungsunternehmen, die Bauindustrie und Planungsbüros belasten – also jene Akteurinnen und Akteure, die Deutschland bei Klimaschutz und Klimaanpassung konkret voranbringen.Die Bergische Wirtschaft braucht die Expertise aus ihrer Architektur – bei der energetischen und sozialen Erneuerung ganzer Quartiere, bei Nachverdichtung und Umbau, bei der Digitalisierung mit BIM in Planungs- und Betriebsphasen. Diese Wertschöpfungsketten sind regional verankert und überregional gefragt.
Wir bitten Sie daher ausdrücklich, die Entscheidung zu überdenken. Sparzwänge sind real, aber sie lassen sich strategisch adressieren: durch profiltreue Konsolidierung statt Abwicklung, durch stärkere Verzahnung mit Bauingenieurwesen und Mobilität, durch den Ausbau berufsbegleitender, drittmittelstarker Weiterbildungsangebote im nachhaltigen Bauen sowie durch Partnerschaften mit Kommunen und Wirtschaft, die den Transfer beschleunigen und Mittelzuflüsse erhöhen.
Ein Runder Tisch mit Architekten- und Ingenieurkammer, Bergischer IHK, Wohnungswirtschaft, Bauindustrie, Kommunen und Fakultät könnte binnen kurzer Zeit belastbare Pfade aufzeigen, die die finanzielle Lage ernst nehmen und zugleich das Profil der Universität stärken.
Die Bergische Universität verfügt mit dem Studiengang Architektur über ein Aushängeschild, das inhaltlich präzise zur größten Aufgabe unserer Zeit passt. Bitte helfen Sie, diese Stärke zu bewahren und auszubauen.“