Nach Toreschluss - die Wochenend-Satire Wenn Bürger begehren

Nach dem tragischen Scheitern ihrer visionären Pläne für den Carnaper Platz ist es höchste Zeit, der Großen Koalition im Rathaus unser Mitgefühl auszusprechen. Solche Bürger hat die Politik einfach nicht verdient!

 Rundschau-Redakteur Roderich Trapp.

Rundschau-Redakteur Roderich Trapp.

Foto: Bettina Osswald

Wo kommen wir denn hin, wenn die jetzt alle Nase lang etwas begehren?

Jedenfalls schon mal nicht zu einem Stadtwerkeverwaltungsneubau als tollem Eingangstor zur Barmer City, auf das ich persönlich mich schon sehr gefreut hatte. Ich stellte mir eine Art Brandenburger Tor mit Büros drin vor, von denen aus die WSW-Beschäftigten den vielen japanischen Touristen zuwinken, die Wuppertals neue Attraktion im Rahmen ihrer dreitägigen Europa-Rundreisen besichtigen.

Dass der leichtlebige Bürger für ein bisschen Kirmes und Zirkus gegen so ein urbanes Gottesgeschenk Unterschriften sammelt und am Ende seine Stadtregierung in die Knie zwingt, ist zutiefst undemokratisch. Schließlich hat er sie doch selbst gewählt. Da kann das Volk nicht plötzlich anfangen, seine Volksvertretung in wichtigen Fragen vertreten zu wollen. "Wir sind das Volk", denkt sich also der Großkoalitionär trotzig und ist schwer beleidigt.

Damit sowas nicht wieder vorkommt, gibt es demnächst einen Dezernenten für Bürgerbeteiligung. Dank meines sehr kleinen Latinums von 1980 weiß ich, dass Dezernent vom Verb "decernere" kommt, was so viel heißt wie "entscheiden" oder "bestimmen". Da weiß der Bürger dann schon mal, wo es lang geht. Für den Posten hat man eigens einen Kandidaten ausgesucht, dessen wesentliche Qualifikation darin besteht, dass er aus dem Land stammt, in dem die Demokratie erfunden wurde.

In Kombination mit dem richtigen Parteibuch reicht das als Vorbildung, zumal er zwischenzeitlich auch für eine Bank gearbeitet hat, die vor ein paar Jahren sogar noch klammer war als Wuppertal. Da wird er sich bei uns schnell zurecht finden und spätestens gegen Ende seiner achtjährigen Amtszeit den einen oder anderen Bürger beteiligen. Zum Beispiel an der Neugestaltung des Carnaper Platzes, um die sich die Initiatoren des Bürgerbegehrens jetzt gefälligst selbst kümmern sollen. Diese bockigen älteren Herren, findet die Stadtspitze, mögen die Schotterfläche doch bitteschön auf den Knien mit kleinen Schäufelchen umgraben und dort zügig etwas Städteerbauliches kultivieren. Strafe muss schließlich sein...

Bis die Tage!

(Rundschau Verlagsgesellschaft)
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