Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Ein Treppenwitz

Wuppertal · In Wuppertal geht bekanntlich vieles nur mühsam und beschwerlich voran. Das gilt auch für Fußgänger, denn wir sind Deutschlands treppenreichste Stadt. Weil mir das persönliche Nachzählen zu anstrengend ist, muss ich mich auf Angaben aus dem Internet verlassen: Demnach gibt es in Wuppertal rund 500 Treppen mit insgesamt 12.000 Stufen, von denen 155 auf die Jakobstreppe entfallen.

Die (noch) gesperrte Jakobstreppe von der Friedrich-Ebert-Straße aus gesehen.

Foto: Simone Bahrmann

Selbige überwindet sehr steil 30 Höhenmeter von der Friedrich-Ebert-Straße zur Nützenberger Straße und ist Wuppertals längste gerade Treppe. Falls Sie sich an dieses Bauwerk aus dem Jahr 1887 gar nicht mehr erinnern können, liegt das möglicherweise daran, dass es 2009 wegen Frostschäden gesperrt und dann 16 Jahre lang erfolgreich nicht repariert, dafür aber immerhin unter Denkmalschutz gestellt wurde. Das hat zur Folge, dass die jetzt dann doch mal in Angriff genommene denkmalgerechte Sanierung der Jakobstreppe der Stadtkasse noch weher tut als früher ihre Begehung den Beinen der über sie Emporsteigenden.

Ein Problem ist dabei vor allem das beidseitig angebrachte schmiedeeiserne Geländer. Das Ding ist zwar eher unspektakulär und vor allem total verrostet gewesen, weil offensichtlich niemand daran gedacht hatte, es im Laufe der letzten 138 Jahre mal neu anzustreichen. Da es sich aber laut Denkmalliste um ein bedeutendes Zeugnis für die topographisch schwierige städtebauliche Erschließung der Stadt im ausgehenden 19. Jahrhundert handelt, muss es zwingend originalgetreu wiederaufbereitet werden, sonst gibt es für die komplette Treppensanierung kein Fördergeld vom Bund.

Roderich Trapp.

Foto: Wuppertaler Rundschau/Max Höllwarth

Also wurden 125 Meter ziemlich verbogener Geländer-Schrott sorgsam in 63 transportable Teile zerlegt, sodann von Farb- und Rostresten befreit, sandgestrahlt, gerichtet, komplett verzinkt, mit neu angeschweißten Laschen zur Befestigung eines Drahtnetzes versehen und mit einer Korrosionsschutzbeschichtung gesalbt. Ausweislich der Kosten müssen die Arbeiten von Fachärzten mit dem Spezialgebiet plastische Eisenchirurgie durchgeführt worden sein, die dann abschließend auch Kernbohrungen zur Befestigung des Geländers in die mutmaßlich von regionalen Steinmetzen in traditioneller Kleidung mundgemeißelten neuen Treppenstufen treiben werden.

Das macht unter dem Strich dann weit mehr als 2.000 Euro pro laufendem Meter Geländer, obwohl eigentlich nur 480 Euro eingeplant waren. Die Mehrkosten musste der Stadtrat jetzt zähneknirschend genehmigen, wobei das Rechnungsprüfungsamt gebeten wurde, sich den Vorgang freundlicherweise mal kritisch anzugucken. Immerhin ist jetzt fast der gesamte Bundeszuschuss von 400.000 Euro zum Gesamtprojekt alleine für das Geländer draufgegangen.

Im Baumarkt habe ich neulich sehr schicke rostfreie Treppengeländer gesehen, die mit Montage nur ein Zehntel des reanimierten Retro-Ottos kosten. Sie zeugen allerdings nicht von schwieriger städtebaulicher Erschließung, sondern von modernem Design und günstiger Fertigung und verbieten sich deshalb für die Jakobstreppe. Nicht verbieten kann man mir allerdings die Frage, ob der Steuerzahler nicht gelegentlich vor dem Denkmalschutz geschützt werden müsste ...

Bis die Tage!