Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Fruchtbare Strukturen

Wuppertal · Neulich ist Hape Kerkeling 60 geworden. Aus diesem Anlass wurde auch sein legendärer „Hurz“-Auftritt vielfach wiederholt, mit dem er als polnischer Tenor Miroslaw Lem 1992 ein tendenziell unentspanntes Kulturpublikum im Fernsehen bis auf die Knochen blamierte.

Roderich Trapp.

Foto: Wuppertaler Rundschau/Max Höllwarth

Die Versuche der bedeutungsschwer dreinblickenden Intellektuellen, seine aus den Tiefen des frackgewandeten Körpers hevorgeknödelten Liedzeilen „Das Lamm, der Wolf, auf der grünen Wiese, das Lamm schreit: Hurz!“ zu interpretieren, sind auch heute noch ein guter Grund, sich bis zur Erschöpfung zu beömmeln.

Diese Woche musste ich plötzlich wieder an dieses unvergessliche TV-Ereignis denken, als ich die Ankündigung für eine Ausstellung unter dem Titel „Fruchtbare Strukturen“ las, die derzeit in der Kunsthalle Barmen stattfindet. Ausstellung ist allerdings zu wenig gesagt, denn genau genommen handelt es sich laut Untertitel um eine „Laborausstellung für vernetztes Denken und Handeln“. Unglücklicherweise konnte ich mir darunter nichts vorstellen und musste deshalb das Kleingedruckte lesen. Dort stand Folgendes:

„Die Ausstellung Fruchtbare Strukturen untersucht Möglichkeiten, die vernetztes Produzieren und Konsumieren im städtischen Umfeld bieten. Dafür nutzt sie die Symbolkraft von Pilzen und Myzelien: Sie sind sowohl wertvolle Rohstoffquellen als auch Impulsgeber für ein vernetztes Denken und Handeln, das unser Zusammenleben in Zukunft positiv verändern kann.“

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich persönlich musste das ähnlich wie seinerzeit Miroslaws Lems „Hurz“-Zuhörer erstmal auf mich wirken lassen. Die Wirkung stellte sich aber zunächst nicht ein. Deshalb las ich die Beschreibung noch einmal und kam zu dem Schluss, dass die Ausstellung möglicherweise künstlerischer Ausdruck des Versuchs sein könnte, mit Champignoncremesuppe die Welt zu retten. Wenn man die in gut gewürzter Form vernetzt mit einem leckeren Stück Baguette zu sich nimmt und das im Kreise netter Menschen tut, dann beeinflussen diese Pilze das Zusammenleben ja auf jeden Fall positiv.

Sicher bin ich mir mit dieser Interpretation aber nicht, weil ich einräumen muss, dass ich mir bisher über die Rolle von Pilzen und Myzelien als Impulsgeber für unser Leben einfach viel zu wenig Gedanken gemacht habe. Insofern wäre ich sicherlich prädestiniert für einen Besuch des im Rahmen der Ausstellung stattfindenden Workshops „Pilze machen Leute“, zu dem man Materialien und Textilien mitbringen darf, die man gerne von Pilzen durchwachsen lassen möchte. Gemeinsam könne man auf diese Weise das Potenzial von Myzel und Material erforschen und neue Dimensionen künstlerischer Gestaltung entdecken. Leider wird mir das nicht gelingen, weil der Workshop schon gestern war.

Es gibt aber zum Glück heute eine fast noch interessantere Alternative in Form eines Workshops mit dem Künstler Arpad Dobriban, dessen Name mich irgendwie an Miroslaw Lem erinnert. Er widmet sich laut der Ankündigung auf der Homepage der Kunsthalle dem transformativen Potential der Grundzutaten Milch, Eier, Mehl und Pilze. Die Teilnehmenden werden demnach von 15 bis 18 Uhr ausgewählte Gerichte zubereiten, um die kulturelle Bedeutung und den schöpferischen Akt dieser Verwandlung praktisch nachzuvollziehen.

Ich meine mich zu erinnern, dass man so eine Veranstaltung außerhalb von künstlerischen Laborausstellungen auch „Kochkurs“ nennt ... Hurz!

Bis die Tage!

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