Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Etikettenschwindel
Wuppertal · Es gibt Dinge im täglichen Leben, die einen in den Wahnsinn treiben können. Dafür muss man gar nicht über die Poststraße laufen oder in Wuppertal einen Bauantrag stellen. Manchmal reicht es schon, ein T-Shirt anzuziehen.
In selbiges sind nämlich – wie bei allen an allen Kleidungsstücken – diverse Etiketten eingenäht, deren wesentlicher Zweck darin besteht, den Träger zu nerven.
Zur Standardausstattung gehört ein sehr kleiner, scharfkantiger Stoffschnipsel an der Innenseite des Kragens, auf dem die Größe des Leibchens ausgewiesen ist, über die man im Prinzip nach dessen Erwerb ja gar nicht mehr aufgeklärt werden müsste. Modedesigner haben jahrelang daran gearbeitet, dieses Teil so zu positionieren, dass man es in angezogenem Zustand nicht erreichen kann, um sich dort zu kratzen, wenn er permanent juckt.
Weiter unten ist bei allen Shirts, Hemden und Blusen eine Art mehrseitige Gebrauchsanweisung verbaut. Sie erklärt in nahezu allen derzeit weltweit gesprochenen 7.186 Muttersprachen, dass man den Fummel nicht bei 100 Grad waschen, nicht mit dem Bunsenbrenner bügeln und Flecken besser auch nicht mit Salzsäure behandeln soll.
Außerdem weist sie zuverlässig darauf hin, wenn das Produkt wider Erwarten Spuren von Baumwolle enthalten könnte. Bei Hemden werden an dieses Brevier nach dem Prinzip des Reservereifens bei Autos gerne noch Ersatzknöpfe angenäht. Diese Tellerminen tragen speziell bei Shirts in der von Bockwurst-Saitlingen inspirierten Passform „Super Slim Fit“ unangenehm auf und bohren sich gerne wie Schwerter in das Pläuzken.
Deshalb wird empfohlen, das Etiketten- und Knopfkonglomerat mit der Schere zu entfernen, was wahlweise zu neuen piekenden Kanten oder zu formschönen Wurmlöchern im Wams führt. Ich persönlich gehe das Risiko meistens ein und besitze daher ein Schächtelchen, in dem mehr Knöpfe sind als in einem Stellwerk der Deutschen Bahn, ohne noch irgendeine Ahnung zu haben, an welche Hemden sie gehören.
Dramatisch ist die Etiketten-Problematik übrigens auch im Bereich der Unterwäsche, die ja bestimmungsgemäß darauf ausgelegt ist, unmittelbar am Körper getragen zu werden. Deshalb werden speziell Schlüpfer für Anwender beiderlei Geschlechts aus feinsten Stoffen hauchzart gewebt, auf dass die empfindliche Haut von Träger oder Trägerin nicht irritiert werde. Warum man in diese filigranen Slips dann hinten Zettel einnäht, die etwa die Länge eines Kassenbons beim Wocheneinkauf haben und automatisch die Nähe der in diesem Bereich anatomisch fest vorgesehenen Körperfalte suchen, wird für immer ein Rätsel der Haut-Couture bleiben.
Klar ist dagegen: Wer den ganzen Tag mit beißender Ongerbuxe durch die Gegend eiert und dabei noch versucht, sich unter zahlreichen Verrenkungen hinten unter dem Kragen zu kratzen, der wird irgendwann bekloppt im Kopf und mangels Blutzuflusses vielleicht sogar das Bewusstsein verlieren. So wissen wir aber wenigstens endlich, woher das Wort Etikettenschwindel kommt ...
Bis die Tage!