Prozess vor dem Landgericht Raubüberfall: Von Komplizen mit Kabelbinder gefesselt

Wuppertal / Solingen · Sie waren ein gutes Team. Bis zu dem Tag, an dem der Kollege der Wuppertalerin mit zwei Komplizen einen Raubüberfall plante, bei dem sie selbst als Beifahrerin eines Werttransporter in den Kellerräumen einer Solinger Bank verletzt wurde. Nun müssen sich der 42-Jährige und seine beiden Mittäter wegen schweren Raubes vor dem Landgericht verantworten. Die 52-Jährige sagte als Zeugin aus.

 Die beiden Angeklagten vor Prozessbeginn.

Die beiden Angeklagten vor Prozessbeginn.

Foto: Mikko Schümmelfeder

Wie sehr sie der Raubüberfall am 30. Januar traumatisiert hatte, war der Mitarbeiterin einer Wach- und Schließgesellschaft schon im Gerichtsflur anzusehen. Die Frau wirkte sichtlich mitgenommen und wischte sich ein paar Tränen aus den Augen. Im Zeugenstand musste sie erzählen, wie der Überfall abgelaufen sei und ob ihr an ihrem Kollegen zuvor irgendetwas aufgefallen sei. „Es war ein ganz normaler Morgen“, ließ die Zeugin den Arbeitstag Revue passieren. Eigentlich habe sie an diesem Tag am Steuer des Geldtransporters sitzen sollen. Als sie einen weiteren Kollegen dort schon habe sitzen sehen, habe sie sich nichts weiter dabei gedacht. „Das war zwar anders geplant, aber dennoch in Ordnung“, erinnert sich die Wuppertalerin an eine ganz normale Dienstfahrt, bei der auch die Solinger Sparkasse auf dem Plan gestanden habe. Dort habe man 526.000 Euro abliefern sollen und bis zur Ankunft in der Fußgängerzone sei auch alles gut gelaufen. Man sei zu dritt auf Tour gewesen: Sie selbst, der Fahrer und der Kollege, der nun als Drahtzieher des Überfalls auf der Anklagebank sitzt.

Dessen Ehefrau war derweil mit einem befreundeten Paar ebenfalls auf dem Weg zur Bank. Mit im Auto: die beiden zwei und drei Jahre alten Kinder des Kollegen und seiner Frau. Im Geldtransporter blieb der Fahrer im Auto zurück, während die Beifahrerin aus Wuppertal und ihr nun angeklagter Kollege die Geldkassetten in den Keller der Bank bringen wollten. Der wiederum ist nur durch den Flur eines Mehrfamilienhauses erreichbar – und dort warteten bereits die in den Plan eingeweihte Ehefrau des Kollegen und der Bekannte aus dem Auto. Der Wuppertaler Beifahrerin des Geldtransporters war von ihrem Kollegen noch gesagt worden, dass das Licht im Hausflur nicht funktioniere – kurz darauf sei sie mit dem Gesicht mehrmals gegen die Wand geknallt worden. Mittlerweile an den Haaren durch den Keller der Sparkasse gezerrt, wurde sie zu Boden gedrückt. Dort habe sie den ebenfalls mit Kabelbinder gefesselten und geknebelten Kollegen klagen gehört - damals noch nicht wissend, dass er der eigentliche Drahtzieher des Überfalls gewesen sei. Dessen Ehefrau und der Mittäter hätten dann noch das Geld in Tüten verstaut, um eilig vom Tatort zu verschwinden.

Sie selbst habe sich von den Fesseln befreien können und auch dem Kollegen aus seiner „misslichen Lage“ geholfen. Dass der zuvor dafür gesorgt habe, dass sie an diesem Tag nicht den Geldtransporter gefahren habe, sondern ihn habe in den Keller begleiten müssen: Das sei ihr erst nach der Tat bewusst geworden. Während der Fahrer und ihr nun angeklagter Kollege bewaffnet gewesen seien, trage sie bis heute keine Waffe – obwohl man die als Angestellte eines Wach- und Schließdienstes nach sechs Monaten bekomme und sie schon seit drei Jahren dabei sei. An diesem Tag jedenfalls sei es das Kalkül ihres Kollegen gewesen, das der bewaffnete Fahrer im Auto habe warten müssen und sie zur Geldabgabe mit in den Keller gegangen sei.

Von ihrem Kollegen war übrigens gleich zum Prozessauftakt ein Geständnis zu hören. Der 42-Jährige war in Geldnöte geraten - in seiner Wohnung habe es gebrannt, das Auto sei kaputt gewesen und dazu hätten sich noch mehr als 10.000 Euro Schulden angehäuft. Seit längerem bei der Wach- und Schließgesellschaft als Werttransport-Fahrer beschäftigt, will er zuvor ins Gespräch mit einem weiteren Kollegen gekommen sein. Der soll in Siegen ein „krummes Ding gedreht“ und eine Bank um einen fünfstelligen Betrag erleichtert haben. Nachweisen habe man ihm das nicht können, aber die Firma habe ihm gekündigt.

Für den 42-Jährigen scheint das jedenfalls ein gelungenes Drehbuch zur Geldbeschaffung gewesen zu sein. Warum also nicht selbst einen Überfall vortäuschen und sich die Geldscheine, die bei der Sparkasse angeliefert werden sollten, in die eigene Tasche stecken? Nach dem Raubüberfall zu Hause angelangt, sollen die Scheine aus der Sporttasche heraus durch die Geldzählmaschine geschoben und bei ihm versteckt worden sein. Unter der Badewanne, in der Wand und in der Zwischendecke verstaut: Am Ende waren dort nur noch 326.000 Euro gefunden worden.

Und der Rest? So genau will der 42-Jährige das nicht mehr wissen - irgendwas sei da auch mit Hawala-Banking gewesen. Dessen kurz nach der Tat in den Libanon ausgereiste und am Überfall beteiligte Ehefrau könnte vielleicht etwas wissen - die aber will nur aussagen, wenn ihr Straffreiheit und sicheres Geleit nach Deutschland zugesichert werde.

Der Prozess wird fortgesetzt.

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