Die Situation der freien Theater nach Lockdown und Lockerungen Auf die Bühne? So einfach ist das nicht!

Wuppertal · Theaterbesuche gehörten wochenlang zu den Dingen, die durch den Lockdown unmöglich waren. Seit dem 30. Mai 2020 dürfen die Theater wieder öffnen. Seit dem 12. Juni 2020 darf ohne Abstand und Mundschutz gespielt werden. Theoretisch könnte der Betrieb also voll starten. Aber so einfach ist das nicht.

 Kristof Stößel ist der Chef von Stößels Komödie am Karlsplatz.

Kristof Stößel ist der Chef von Stößels Komödie am Karlsplatz.

Foto: Matthias Morawetz

Geänderte Spielpläne oder Bestuhlung, neue Formate und sogar Umzüge: So versuchen die drei freien Wuppertaler Theater mit eigener Spielstätte trotz massiver Einschränkungen mit ihrem Publikum in Kontakt zu kommen. Als am 15. März 2020 das Spielverbot in Kraft trat, befanden sich das Theater in Cronenberg (TiC), das Taltontheater (TTT) und Stößels Komödie mitten in der Spielzeit. Bis zum Sommer waren zahlreiche Premieren geplant. Dafür waren bereits Schauspieler und Regisseure verpflichtet sowie Bühnenbilder und Kostüme in Auftrag gegeben worden.

Wie in vielen anderen Branchen gab es plötzlich keine Einnahmen mehr. Die Fixkosten wie Miete liefen aber weiter. Ein Ende des Spielverbots war zunächst nicht abzusehen. Zwei Wochen, so hatte Jens Kalkhorst vom TTT damals ausgerechnet, könnte man sich mit Rücklagen über Wasser halten. Zehn Wochen waren es dann bis zur erlaubten Wiedereröffnung. Obwohl die Reserven längst aufgebraucht sind, spielen die Theater nicht oder anders. Denn lange Zeit konnten sie Wirtschaftlichkeit und Corona-Schutzmaßnahmen nicht unter einen Hut bekommenn. Lange war auch unklar, wie genau die Hygienestandards auszusehen haben. Dann galt ein Abstand von 1,5 Metern. „Wir haben das ausgerechnet: Dann könnten wir 35 Tickets verkaufen“, erklärt Kristof Stößel dazu. Stattdessen spielen Mitglieder des Ensembles jetzt im Kulturzentrum Immanuel in Oberbarmen, wo 100 Zuschauer Platz finden. Der Spielplan wurde dafür komplett geändert. „Hier spielen wir jetzt in Juni und Juli. Im August geht es dann wieder am Karlsplatz los und im September eröffnen wir unser zweites Theater, das Flin-Theater in Düsseldorf“, so der Chef des KS Theaters.

Da ihre Bühnen und Spielorte klein sind und der Abstand auch für die Schauspieler gilt, durfte das TiC nicht spielen. „Ein regulärer, vollwertiger und wirtschaftlicher Theaterbetrieb ist in unseren Räumen unter den geltenden Vorschriften nicht möglich. Wir arbeiten dennoch an alternativen Programmen und Formaten, wie Streaming-Angebote oder der Auftritt im Autokino. Das alles kann allerdings den umfangreichen Theaterbetrieb, den wir mit 350 Vorstellungen im Jahr sonst haben, in keiner Weise kompensieren“, berichtete Geschäftsführer Ralf Budde noch vor wenigen Tagen. Jetzt sieht plötzlich wieder alles anders aus.

Das Taltontheater hatte sich schon vor einigen Wochen entschieden, trotz zunächst angepasster Bestuhlung und nun kompletter Freigabe erst nach der Sommerpause wieder zu spielen. „Die zwei entfallenen Premieren ‚The King’s Speech’ und ‚Frau Müller muss weg’ wurden umgelegt und sind nun Teil der neuen TTT-Saison“, sagt Geschäftsführer Jens Kalkhorst. Denn diese Stücke nur wenige Male zu zeigen, sei schade und zu teuer. Mit den finanziellen Hilfen von Bund und Land seien zwar die Betriebskosten gedeckt, aber mehr auch nicht. Finanziell ist das TTT daher auf die Spendenbereitschaft der Fans angewiesen, um nach der Sommerpause wieder starten zu können. Rund 4.500 Euro kamen bislang auf der Spendenplattform betterplace.org zusammen. So viel kosten zwei Bühnenbilder.

Auch das TiC hat einen Förderverein und Stößels Komödie setzt ebenfalls auf Spenden und Stuhlpatenschaften. Allerdings ist der endlich eingetragene Förderverein, dessen Vorsitzender Kristof Stößel ist, noch nicht als gemeinnützig anerkannt. „Wegen der aktuellen Situation konnte die notwendige Sitzung noch nicht stattfinden“, sagt Stößel. Um das Theater erhalten zu können, hofft er darauf, dass die Zuschauer ihre gekauften Tickets nicht zurückgeben, sondern damit künftige Produktionen besuchen – und natürlich die nächsten Aufführungen besuchen.

Damit spricht er nicht nur seinen Kollegen, sondern auch vielen Theaterfans aus der Seele.

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