„Im toten Winkel“ – neues Buch von Jochen Rausch Verblendung, Verdammnis – und Liebe

Wuppertal · Nichts los in der Provinz, alles lieb und lieblich? Nein. Der Wuppertaler Autor und Journalist Jochen Rausch reißt in seinem neuen Roman „Im toten Winkel“ einem Kaff im Ex-Grenzgebiet die Maske weg: Brutaler Stoff mit viel Psychologie – und Gefühl.

 „Im toten Winkel“ von Jochen Rausch ist bei Piper erschienen und kostet im Buchhandel 24 Euro.

„Im toten Winkel“ von Jochen Rausch ist bei Piper erschienen und kostet im Buchhandel 24 Euro.

Foto: Piper-Verlag

Erstmals stellt Rausch (fünf Bücher gibt’s schon von ihm) eine Frau in den Mittelpunkt: Marta Milutinovic, erfolgreiche und hartgesottene Polizei-Ermittlerin in der Großstadt, hat ihre Tochter durch ein Gewaltverbrechen verloren und im Nachgang dazu einen schweren dienstlichen Fehler begangen. Das alles – und anderes aus ihrer Vergangenheit auch – liegt ihr sehr auf der Seele. Ruhe verspricht die neue Position als Dienststellenleiterin in der (erfundenen) fränkischen Kleinstadt Schwarzbach.

Doch die dortige Ruhe trügt. Es ist nicht nur ein lange Zeit zurückliegender, unaufgeklärter Todesfall, der Marta Milutinovic schwer beschäftigt, sondern auch ein sich Mosaikstein für Mosaikstein zusammensetzender Abgrund aus professionellem Missbrauch, (polizeilicher) Vertuschung und von Verwicklungen innerhalb der lokalen Familienszenen.

Von der handfesten Bedrohung Martas durch eine italienische Blutrache, die einen der parallelen Handlungsstränge von „Im toten Winkel“ markiert, ganz zu schweigen.

Ja, manchmal ist es auch zu viel der Nebenkriegsschauplatz-Gewalt und der sexuellen Übergriffe – etwa im Thai-Massage-Salon.

Trotzdem: Jochen Rausch hält seine Spur beziehungsweise findet immer wieder in sie zurück. Seine Figuren, die in Sachen Optik & Co. viel Platz für die Leser-Fantasie lassen, sind „wahr“, anfassbar und entblättern ihre Seele sowie ihre Abgründe Schritt für Schritt. Wie in all seinen bisherigen Texten gelingt es Rausch, ohne Effekt-Getue und vorhersehbare Handwerks-Tricks zu fesseln. Sein Stil zieht auch in „Im toten Winkel“ in den Sog.

Es sind Bilder, die Filme im Kopf starten, es sind Psychogramme und Gesprächspassagen, die gerade durch ihre Wortkargheit vielsagend sind. Als sei, wenn’s beispielsweise um Martas etwas verwirrtes und verlorenes (Liebes-)Leben geht, alles Überflüssige gestrichen worden.

Gerade da gelingt Jochen Rausch erstaunliche Intensität Ob es die zärtlich-erotische Schilderung eines „Dreiers“ mit einem ortsansäsigen Paar ist, die kurze Wiederbegegnung mit ihrem Ex-Partner, oder die Erinnerung an eine lang zurückliegende Beziehung mit einem verheirateten Mann aus Kroatien: Persönlichkeit, Sehnsüchte und Ängste seiner „Heldin“ schildert Rausch ganz unaufdringlich und zugleich tief empfunden.

Genau das gilt allerdings auch für all das Schreckliche, Brutale, Blutige, von dem so viel die Rede ist in „Im toten Winkel“. Das Buch ist ein Thriller – natürlich. Der 300-Seiten-Text lässt das Genre aber weit hinter sich.

Übrigens: Trotz all der Grässlichkeit endet das, man mag es kaum glauben, mit einem leisen, filmreifen Schluss. Mit dem alles, was jetzt noch (oder wieder) gut werden kann, vielleicht tatsächlich gut wird. Nicht in der Provinz. Sondern in der Sonne, am Meer. Wo sonst?

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