Theater im Engelsgarten Ein Volksstück? Von wegen!

Wuppertal · Zwei Männer und eine Frau in den Bergen, gesprochen wird im (österreichischen) Dialekt. Da denkt man natürlich: Jetzt wird’s volkstümlich und gemütlich. Bei der rassigen Premiere von „Der Weibsteufel“ im Theater am Engelsgarten geht’s da aber ganz, ganz anders zu.

 Das ist „Der Weibsteufel“: Maditha Dolle im Glam-Rock-Outfit in der Wuppertaler Inszenierung des Karl-Schönherr-Stücks.

Das ist „Der Weibsteufel“: Maditha Dolle im Glam-Rock-Outfit in der Wuppertaler Inszenierung des Karl-Schönherr-Stücks.

Foto: Uwe Schinkel

Die Wuppertaler Inszenierung von Peter Wallgram präsentiert innerhalb von 90 Minuten ein Dreier-Drama mit allem, was dazugehört – und hält die Zuschauer über die komplette Distanz in Atem. Das 1915 in Wien uraufgeführte Stück „Der Weibsteufel“ des heute längst in Vergessenheit geratenen Dramatikers Karl Schönherr erlebt in Wuppertal eine schrille, schräge, knallharte und knallbunte Wiederauferstehung – und zwar auf hohem Niveau.

Die Konstellation ist einfach – und hat es doch in sich. Ehefrau (Maditha Dolle) und Ehemann (Alexander Peiler) leben auf einer Berghütte. Er leitet eine Schmugglerbande, ist eher kränklich und schwach (das kauft man dem Mannsbild Alexander Peiler nicht ganz ab), doch die junge Frau bleibt bei ihm, denn der Rubel rollt und ein vom Schmuggelgeld bezahltes Haus in der Stadt ist zum Greifen nah.

Gefahr droht von den Grenzjägern – quasi der Bergpolizei. Ein junger Jäger (Konstantin Rickert) soll im Auftrag seiner Vorgesetzten die Ehefrau umgarnen und zum „Singen“ über das Treiben ihres Mannes bringen. Der Ehemann bekommt Wind davon, stiftet nun seine Frau dazu an, gegen den Jäger den lockenden Lockvogel zu machen. 

Das Ganze funktioniert – aber eher nach der Melodie „Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst ...“ Jäger und Ehefrau verlieben sich, beide Männer, die zu Konkurrenten werden, wollen die Frau für sich instrumentalisieren – und überschätzen sich gewaltig.

Am Ende kommt es zum blutigen Showdown. Wer übrigbleibt – jung, schön, frei, mit vertraglich überschriebenem Stadthaus und untadeligem Ruf: Raten Sie mal ... 

Das Wuppertaler „Weibsteufel“-Trio agiert furios: Mit grün geschminkten Gesichtern, gefärbten Haaren und in knalligen Kostümen (Miriam Grimm) wird auf der mini-bergigen Bühne mächtig vom Leder gezogen. Und wie schon ganz oben gesagt – durchgängig im österreichischen Dialekt. Den kann Konstantin Rickert nahezu perfekt, die beiden anderen müssen sich aber nicht vor ihm verstecken. Ob jeder im (nordrhein-westfälischen) Publikum alles versteht, sei dahingestellt: Aber was da abgeht, erschließt sich optisch eh.

Dieses Stück, das eigentlich ein hochemotionales Drama ist, kann genauso gut erfrischende Slapstick-Lacher liefern – und macht doch vor allem in der Figur der Frau die komplette Berg- und Talfahrt sichtbar, die auf dem Programm steht, wenn ein Weib von Männern zum „Teufel“ gemacht werden soll und einfach den Spieß herumdreht. Maditha Dolle übrigens – da gibt’s keine Widerrede – spielt die beiden Männer an die Wand. Tolle Performance!

Apropos Performance: Wenn’s auf den Showdown zugeht, greift die Inszenierung zu einem wunderbar verrückten Coup. Die Berg-Bühne, die dann plötzlich zu zwei Schenkeln wird, öffnet sich und im silberglitzernden Glam-Rock-Outfit präsentieren Maditha Dolle (sie glitzert am meisten), Konstantin Rickert und Alexander Peiler ein Playback des erdigen Liebe-und-Sensucht-Songs „Feuer“ der Austria-Formation „Ostbahn-Kurti & die Chefpartie“ von 1985. Danach geht’s mit großen Schritten dem Ende zu – beinahe wie bei Shakespeare, denn am Schluss sind (fast) alle tot.

Das Wuppertaler Schauspiel beweist mit seinem „Weibsteufel“ drei Dinge: Dreiecksgeschichten sind unsterblich, sie gehen meistens nicht gut (aus) – und man kann einen kaum noch bekannten Autor wie Karl Schönherr hochattraktiv ins Heute holen.

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