"Radikalenerlass" - Betroffene berichten GEW eröffnet Ausstellung über Berufsverbote

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) NRW und GEW Wuppertal erinnern mit einer Ausstellung im Rathaus Barmen an politische Verfolgung in der Bundesrepublik Deutschland. Eröffnet wird sie am Mittwoch (29. Januar 2020) um 17 Uhr von Oberbürgermeister Andreas Mucke. Maike Finnern, Landesvorsitzende der GEW NRW, gibt eine Einführung.

 Symbolbild.

Symbolbild.

Foto: Frank Vincentz/Wikipedia

Die Wuppertaler Musikgruppe „Fortschrott“ mit Uli Klan, Rudi Rhode, Wolfgang Suchner, André Enthöfer und Thomas Lensing begleitet das Programm. Vier in Wuppertal noch lebende Betroffene werden anwesend sein.

Zum Hintergrund

Am 28.1.1972 wurde der sogenannte "Radikalenerlass" beschlossen und in der Folge Tausende von linken Lehrer, aber auch Postbeamte oder Lokführer im öffentlichen Dienst nicht eingestellt oder sogar entlassen, obwohl sie sich persönlich weder im Dienst noch außerhalb etwas zuschulden hatten kommen lassen.

Sie hatten sich gegen den Krieg in Vietnam engagiert, gegen Aufrüstung protestiert, Studienreisen in die DDR unternommen, waren für Einhalt demokratischer Rechte auf die Straße gegangen. Sie waren Mitglied in der DKP, dem SHB (Sozialdemokratischer Hochschulbund), der SHG (Sozialistische Hochschulgruppe) oder anderer linker Organisationen. Gegen sie richtete sich der „Radikalenerlass“.

Alle Bewerberinnen und Bewerber für den öffentlichen Dienst wurden einer „Regelanfrage“ durch den Verfassungsschutz unterzogen und etwa 3,5 Millionen auf ihre politische Gesinnung durchleuchtet. Wer "nicht die Gewähr dafür biete, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten“, sollte aus dem öffentlichen Dienst ferngehalten bzw. entlassen werden. Diese Formel sollte herhalten, willkürlich politisch linke Auffassungen einzuordnen.

Die bittere Bilanz: 11.000 offizielle Berufsverbotsverfahren, 2.200 Disziplinarverfahren, 1.250 Ablehnungen von Bewerbungen und 265 Entlassungen

In Wuppertal wurden in der Folge dieses „Radikalenerlasses“ fast 20 Lehrer gar nicht oder erst nach langen Jahren gerichtlicher Auseinandersetzungen eingestellt. Doch es gab auch einen breiten Prostet und Widerstand gegen diese politische Verfolgung, der sich vor allem in der „Wuppertaler Initiative gegen Berufsverbote“ zusammengeschlossen hatte. Die Ausstellung dokumentiert die Verfolgung von vier noch heute in Wuppertal lebenden Betroffenen - Christiane Bainski, Helga Krüger, Helmut Magel und Jürgen Wernecke.

1995 stellte der Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte in einem Urteil fest, dass die Berufsverbotepraxis der Bundesrepublik unter anderem gegen die Europäische Konvention für Grund- und Menschenrechte verstößt. Dennoch wurde der Radikalenerlass bisher nicht offiziell zurückgenommen, eine Rehabilitation der damals Abgelehnten hat in den meisten Fällen bis heute nicht stattgefunden und ist vor allem in NRW überfällig. Die Ausstellung und das Begleitprogramm sollen dazu beitragen, diese Aufarbeitung zu leisten.

Wandernde Ausstellung

Bis Samstag (08. Februar 2020) bleibt die Ausstellung im Rathaus Barmen, vom 9. Februar 2020 bis zum 18. Februar 2020 ist sie in der Citykirche in Wuppertal-Elberfeld und vom 20. Februar bis zum 29. Februar 2020 in der Universitätsbibliothek, Gebäude BZ (Ebenen 7-10), Gaußstr. 20 zu sehen.

Vortrag in der City Kirche

Am Dienstag (11. Februar 2020) findet in der Citykirche ab 16 Uhr eine Veranstaltung mit der ehemaligen Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin statt. „Schluss mit dem Elend der Berufsverbote“ ist der Titel ihres Vortrages. Es wird eine Diskussion mit Landtagsabgeordneten und Betroffenen stattfinden.

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