Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Selbstverordnetes Jetzt

Wuppertal · Wird Ihnen auch manchmal alles zu viel? Dann hätte ich einen super Tipp, wie Sie mal entschleunigen können: Im Luisengarten steht nämlich dieses Wochenende die „No Future Box“, in die man sich eine halbe Stunde zurückziehen und einfach mal gar nichts machen kann.

 Roderich Trapp.

Roderich Trapp.

Foto: Max Höllwarth

Hinter dem rosafarbenen Vorhang des Kastens ist man allerdings nicht allein. Denn im Obergeschoss der Box wohnt der Performance-Künstler Jascha Sommer, der laut Prospekt „das Wochenende im selbstverordneten Jetzt verbringt und dabei im Schneidersitz Mantras singt oder Tee kocht“. Er bietet hier einen Ort, „an dem niemand etwas von dir erwartet, aber von dem auch du nicht allzu viel erwarten solltest.“

Abgesehen davon, dass ein ganzes Wochenende im Schneidersitz ziemlich anstrengend klingt und ich keine Ahnung habe, was ein selbstverordnetes Jetzt ist, hört sich das so vielversprechend an, dass ziemlich viele Leute dieses Angebot garantiert nicht annehmen werden. Das ist aber nicht so schlimm, weil das selbstverordnete Jetzt tatsächlich von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert wird und der Künstler deshalb mutmaßlich im fremdbestimmten Morgen immer noch warm essen kann.

Falls Sie doch Interesse haben, können sie heute und morgen einfach in den Wandelgarten an der Luisenstraße gehen und einen Termin für eine halbe Stunde No Future buchen. Dann werden Sie möglicherweise merken, dass es gar nicht so einfach ist, eine halbe Stunde konsequent gar nichts zu machen. Außer man ist Spieler der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in der ersten Hälfte gegen Liechtenstein oder Mitglied der Gewerkschaft Deutscher Lokomotiventführer.

Sogar 40 Jahre nichts getan haben ABBA. Für jüngere Leser: ABBA war eine Musikgruppe, die in den 70er Jahren die ganze Welt verrückt gemacht hat und deren Mitglieder im Gegensatz zu Apache 207 oder Justin Bieber sogar richtig singen konnten. Weil die zwei ABBA-Männer mit den beiden ABBA-Frauen verheiratet waren, dauerte die Karriere abba nur unwesentlich länger als die Ehen. Seit 1982 konzentrierten sich die Vier daher nicht mehr auf Pop, sondern auf die Verwaltung von Penunsen in der Größenordnung von ungefähr einer Viertelmilliarde Euro pro Nase.

Jetzt aber gibt es plötzlich zwei neue Lieder und demnächst auch eine neue CD von ABBA, woraufhin die Welt wieder komplett verrückt spielt. Das Medienecho war ungefähr so, als wären Falco und Udo Jürgens von den Toten auferstanden und würden demnächst gemeinsam mit den größten Hits von Modern Talking auf Tournee gehen.

So abwegig, wie Sie meinen, ist Letzteres übrigens gar nicht. Denn auch ABBA wollen 2022 wieder live auftreten, allerdings nicht selbst sondern als Avatare in einem eigens dafür gebauten Konzertsaal in London. Da werden sie dann als animierte Hologramme ihrer Ichs aus dem Jahr 1979 über die Bühne wirbeln. Diese ABBAtare hätte es aber eigentlich gar nicht gebraucht. Die neuen Songs sind nämlich ungefähr so schwungvoll, dass die Ü70-ABBAs sie auch bequem mit Rollator performen könnten. Wenn schon die Musiker nicht echt sind, könnte man übrigens auch Avatare als Zuschauer nehmen, dann muss gar keiner mehr raus ...

Wobei das mit den Avataren ja durchaus reizvoll ist. Mit einem Avatar von Gerd Müller in der Sturmspitze hätte Deutschland am Donnerstag gegen Liechtenstein wahrscheinlich 12:0 gewonnen. Und wenn der Avatar von Helmut Schmidt am 26. September als Kanzler zur Wahl stünde, wüsste ich schon ungefähr, wie die Sache ausgeht. Die Programmierer müssten dann nur irgendwie digitale Menthol-Zigaretten programmieren, damit der künstliche Helmut keinen Error meldet.

In diesem Zusammenhang: Sind Sie eigentlich ganz sicher, dass ich das hier geschrieben habe? Piiiiiep - Achtung; Ihr Autoren-Avatar schaltet jetzt in den Ruhemodus ...

Bis die Tage!

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