Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Gute Anlagen

Wuppertal · Es gibt ja in Wuppertal außer der Rundschau noch ein bis zwei weitere Druckerzeugnisse. Zum Beispiel das Jahresheft des Barmer Verschönerungsvereins. Dafür durfte ich jetzt einen Gastbeitrag schreiben, weil ich als Köttel quasi direkt neben den Barmer Anlagen groß geworden bin, um die sich der Verein kümmert. Ich habe Ihnen heute einen Auszug mitgebracht, denn ...

 Der Toelleturm.

Der Toelleturm.

Foto: BVV

... mehr Abenteuerspiel- und Sportplatz ungefähr 150 Meter vor der Haustüre konnte man sich als Kind nicht wünschen. Gab es eigentlich Tage, an denen man nicht mit den Kumpels in den Anlagen war? Es dürften nicht viele gewesen sein. In erster Linie ging es dabei um Fußball. Wir spielten auf der großen Wiese zwischen der damaligen BEK und der Ottostraße, die ein durchaus gepflegtes Geläuf für kleine Kicker bot. Mit allerdings einem entscheidenden Nachteil: Das Feld war ziemlich abschüssig. Weil wir es in Längsrichtung bespielten, ist es bis heute ein kleines orthopädisches Wunder, dass ich immer noch zwei gleiche Beine habe. Bei Tausenden von Flankenläufen hätte eigentlich eins irgendwann länger werden müssen als das andere, um die Standfestigkeit zu gewährleisten.

Standfestigkeit brauchte man auch im Winter, wenn die Barmer Anlagen für uns zum Wintersport-Mekka wurden. Denn es schneite damals öfter so wie heute nur noch in den Alpen, die dort verfügbaren Aufstiegshilfen waren aber in den Anlagen nicht vorhanden. Dabei hätte man die vor allem auf der beliebten Skiwiese in den oberen Anlagen brauchen können, die dank ihres kernigen Gefälles und ihrer Länge für mich sozusagen die „Streif Wuppertals“ darstellte. Ich war damals stolzer Besitzer eines neu auf den Markt gekommenen kleinen roten Bobs, mit dem man auf dieser Wiese in erstaunliche Geschwindigkeitsbereiche vorstoßen konnte. Steuern und bremsen ließ er sich mit je einem Hebel links und rechts, die möglicherweise vom Konstrukteur nicht auf die hochalpinen Barmer Rahmenbedingungen ausgelegt waren. Die erste Fahrt endete deshalb mit einem kernigen Sprung über den Weg am unteren Wiesenende und einer Bruchlandung in der Hecke darunter.

Helme besaßen seinerzeit zwar nur Motorradfahrer, trotzdem haben ich und alle meine Kumpels die Wintersaison genauso überlebt wie die Sommer, in denen wir täglich stundenlang bei 30 Grad auf der schattenlosen Wiese kickten. Übrigens ganz ohne isotonische Powerdrinks in kindgerechten Trinkfläschchen, ohne die heute Erstklässler nicht mal zehn Minuten Reise nach Jerusalem spielen können.

Beim Thema Erstklässler fällt mir ein, dass die Barmer Anlagen auch mein Schulweg waren. Um 1970 herum gingen Kinder ja noch selbst zur Schule und wurden nicht von Helikopter-Eltern in SUVs bis ins Klassenzimmer gefahren. Von zu Hause bis zur Berg-Mark-Straße musste ich dank der Anlagen nur die Untere Lichtenplatzer Straße ganz am Anfang und die Bergbahn ganz am Ende überqueren und lief ansonsten über gepflegte Wege, auf denen man garantiert nicht überfahren wurde.

Trotzdem waren die Wochenenden natürlich am allerschönsten. Bis auf sonntagmorgens. Da rissen mich nämlich erst die immens laut bimmelnden Glocken der Lutherkirche aus dem gerne sehr lang ausgedehnten Schlaf. Und wenn die sich beruhigt hatten, folgte das Platzkonzert am Ententeich, das aus den Anlagen die Töne semiprofessionell gespielter Waldhörner und anderer prominenter Lärmquellen aus dem jagdlichen Umfeld zu uns herüberwehen ließ. Dann wusste man, dass es Zeit war, sich mit den Kumpels zum Fußball zu treffen. Wie diese Treffen ohne Smartphone arrangiert wurden, ist aus heutiger Sicht übrigens komplett unerklärlich ...

Bis die Tage - vielleicht ja in den Anlagen, denn sind immer noch so schön wie früher!

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