Kommentar Infektions-Debakel mit Ansagen

Wuppertal · Während ich das schreibe, haben wir Freitagmorgen und Tausende Wuppertaler Eltern wissen zu diesem Zeitpunkt noch nicht, ob ihre Kinder Montag zur Schule gehen oder wieder in den Distanzunterricht wechseln. Ein unsäglicher Zustand, den die Betroffenen nicht der Stadt Wuppertal, sondern der Landesregierung zu verdanken haben.

 Das Schulzentrum Ost.

Das Schulzentrum Ost.

Foto: Wuppertaler Rundschau/Simone Bahrmann

Die wollte Kinder und Jugendliche mit aller Macht zurück in die Schulen holen, obwohl RKI-Chef Robert Wieler quasi zeitgleich mit dem ersten Öffnungsschritt schon vor einem Monat glasklar prognostiziert hat, dass sich die neuen Virus-Mutationen genau in dieser Zielgruppe viel explosiver verbreiten als die ursprüngliche Corona-Version in den ersten beiden Fällen.

Quasi mit Ansagen bekommen wir jetzt die Quittung, nachdem speziell die britische Corona-Mutante in Wuppertal angekommen ist: Corona-Ausbrüche an 21 Wuppertaler Schulen allein von Montag bis Mittwoch, ein auffallend höherer Anteil von unter 18-Jährigen an den Infizierten insgesamt, fast 70 Prozent mehr Quarantänefälle innerhalb einer Woche, weil halbe Klassenverbände zu Hause eingepfercht werden müssen – und Inzidenzwerte im dunkelroten Bereich. Und in diesen Zahlen ist der Effekt des seit Montag wieder aufgenommenen Präsenzunterrichts für alle Schüler wegen der bekannten Inkubationszeiten noch gar nicht eingepreist.

Krisenstabsleiter Johannes Slawig machte am Donnerstag keinen Hehl daraus, dass er die Schulen für Infektionsbeschleuniger hält – auch weil der Präsenzunterricht eine Menge Kontakte außerhalb der Schule nach sich ziehe. Eine diplomatische Formulierung. Ein Blick aus dem Redaktionsfenster auf das benachbarte Gymnasium zeigt uns täglich, dass das Problembewusstsein vieler Schüler einen Meter hinter dem Schultor endet. Das ist die Corona-Wirklichkeit – und auf die wollte der Krisenstab mit der Rückkehr zum Distanzunterricht in der letzten Woche vor den Ferien in genauer Kenntnis der örtlichen Verhältnisse angemessen reagieren, um uns drei Wochen Luft zu verschaffen.

Genauso angemessen ist es, im Gegensatz dazu die gerade geöffneten Geschäfte, Friseure und Co. nicht wieder zu schließen, denn Ansteckungen passieren nach allem, was man weiß, überwiegend im privaten Raum. Oder jetzt eben unter neuen Corona-Mutations-Bedingungen in der Schule. Dass um entsprechende Anträge Wuppertals und anderer Städte in Düsseldorf erneut so ein Eiertanz gemacht wird, ist daher unerträglich.

Vielleicht hätten die eigentlich versprochenen Selbsttests für alle Schüler das Problem ja relativiert. Aber nicht mal die konnte die Landeregierung pünktlich liefern. Laschet, Gebauer: setzen, Sechs!

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