Kommentar: Leitlinien für die Bürgerbeteiligung Alle müssen Neues denken

Wuppertal · Wer die Frage "Was ist Bürgerbeteiligung?" stellt, wird ganz unterschiedliche Antworten bekommen. Auch welche, die sich gegenseitig ausschließen. Wuppertal hat sich getraut, (s)eine stadt-individuelle Antwort zu geben: Im neuen Dezernat geht es nun darum, Leitlinien zu erarbeiten — für das Mitreden, Mitdiskutieren, Mitplanen der Zukunft.

 Rundschau-Redakteur Stefan Seitz.

Rundschau-Redakteur Stefan Seitz.

Foto: Bettina Osswald

An einem Dreiecks-Tisch — mit Verwaltung, Politik und Bürgern.

Welche Themen könnten es sein, um die's dann geht? Seilbahn, Forensik, Pina-Bausch-Tanzzentrum, Carnaper Platz, Nahverkehrs- und Radfahr-Konzept sowie "Qualitätsoffensive Innenstadt" (oder soll man gerade da endlich mal so mutig sein, "City-Masterplan" zu sagen?). Wie wär's mit möglichen Erweiterungen der Trasse — oder auch mit manchen "Kleinigkeiten", die nur im unmittelbaren Stadtteilumfeld spürbar werden? Es ist vieles denkbar, denn in Wuppertal herrscht längst kein Stillstand mehr: Es passiert viel, und die Wuppertaler reden gerne mit.

Aber werden sie auch gerne mitmachen, wenn sich bewahrheitet, was man im neuen Dezernat offen ausspricht: Bürgerbeteiligung ist Arbeit?! Und zwar für alle — auch für die Bürger. Bürgerbeteiligung heißt nicht, dass ich als Bürger ein-, zweimal meine Meinung hinausposaune und dann davon ausgehe, dass Politik und Verwaltung machen, was ich will, weil ich ja der Bürger, also das Volk, bin.

Bürgerbeteiligung heißt aber auch nicht, dass die Politik den Menschen gnädig ein Öhrchen leiht, wohlgefällig nickt und dann weitermacht wie gehabt, weil die Leute die Politiker ja gewählt — und damit umfassend legitimiert — haben. Und Bürgerbeteiligung heißt nicht, dass die Verwaltung nach "Schema F" ihre Listen abarbeitet, immer nur auf Rechtsvorschriften pocht und sich mit teilweise abenteuerlicher Selbstverständlichkeit dem Vorwurf aussetzt, die Lebenswirklichkeit dieser Stadt rein gar nicht auf der Agenda zu haben.

"Ein politisches Experiment" — die Bezeichnung ist absolut passend für den Wuppertaler Bürgerbeteiligungsweg. Für alle, die da mit im Boot sind, bedeutet das: Sie müssen neu denken, sie müssen Neues denken. Wenn es gelingt, allen Beteiligten klarzumachen, dass pro Projekt zielorientiertes Hineinknien, das kein Strohfeuer sein darf, ebenso unverzichtbar ist wie kompromissbereiter Umgang miteinander — dann kann der Wuppertaler Weg klappen. Dann wird er bundesweiten Vorbildcharakter haben. Aber nur dann.

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