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Wuppertal: Oberbürgermeister Schneidewind zieht Zwischenbilanz

Schneidewind und sein erstes OB-Jahr : „Haben wir den Mut, neu zu denken?“

Vor einem Jahr hat Uwe Schneidewind sein Amt als Wuppertaler Oberbürgermeister angetreten. Im Gespräch mit Rundschau-Redaktionsleiter Roderich Trapp zieht er eine erste Zwischenbilanz seiner Arbeit an der Stadtspitze.

Rundschau: Nach den ersten zwölf Monaten im OB-Büro: Was war Ihre größte Freude, die größte Überraschung und das größte Problem?

Schneidewind: „Die größte Freude war auf jeden Fall die hohe Dichte an engagierten Menschen in Stadt und Verwaltung. Die laden mich immer wieder neu auf. Als größtes Problem habe ich die fehlenden Kontaktmöglichkeiten unter Corona-Bedingungen empfunden. Bei vielen Anlässen war man da ja total gehandicapt und konnte das Bedürfnis der Menschen nicht befriedigen, sie persönlich zu treffen. Damit in Verbindung steht auch die größte Überraschung: Welche tiefe Emotionalität dieses Amt hat, weiß man zwar vorher theoretisch. Es aber am eigenen Leib zu erfahren, ist noch einmal etwas anderes.“

Rundschau: Vor Ihrer Wahl haben Sie in einem Rundschau-Interview gesagt, Oberbürgermeister zu sein wäre auch eine der spannendsten Führungsaufgaben. Wie sind Sie an die herangegangen?    

Schneidewind: „Ich glaube sehr konsequent! Mit dem Zukunftsprogramm #FOKUS_Wuppertal haben wir einen klaren Kompass für die nächsten Jahre erarbeitet, der eng mit der Führungsarbeit im Rathaus gekoppelt ist. Es ist schön zu sehen, wie das angenommen wird. Außerdem habe ich eine Spiegelreferatsstruktur im OB-Büro eingeführt, in der jedem meiner Referentinnen und Referenten ein Geschäftsbereich zugeordnet ist, in den so strategische Brücken gebaut werden. Das funktioniert sehr gut.“

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Rundschau: Geben Sie uns da doch mal ein Beispiel.

Schneidewind: „Einer von acht Punkten im Zukunftsprogramm ist ,wirksame Verwaltung’. Im Einwohnermeldeamt hatten alle Angst, von der zu erwartenden Nachfrage-Welle im Sommer überrollt zu werden. Wir haben dann nach all den Jahren der Warteschlangen und Beschwerden die gesamten Abläufe, aber auch die fehlenden Personalressourcen konsequent in den Blick genommen und das gemeinsam so organisiert, dass es nun selbst vor den Ferien völlig reibungslos gelaufen ist. So wird ,wirksame Verwaltung’ greifbar. Und auch an anderen Stellen haben wir ja schon angesetzt. Zum Beispiel mit der Beschleunigung von Prozessen im Bauamt und der Organisationsuntersuchung, die die Abläufe beim Gebäudemanagement auf den Prüfstand stellen soll.“

Rundschau: In besagtem Interview haben Sie auch gesagt, Klimawandel wäre Corona im Großen. Wie war das eigentlich gemeint?

Schneidewind: „Bei diesem Vergleich ging es mir um die Intensität der Veränderung für unser Leben, die sowohl Corona als auch der Klimawandel mit sich bringen. Wenn man sieht, was alles passieren müsste, damit wir in Wuppertal 2035 die Klimaneutralität schaffen, dann sagt man: Wow, das ist wirklich tiefgreifend. Das hat auch die Studie des Wuppertal Instituts zu diesem Thema deutlich aufgezeigt.“

Rundschau: Wenn es um die ganz konkreten Schritte hin zu solchen Veränderungen geht, dann tun sich viele Menschen aber offensichtlich noch schwer. Man nehme nur die Debatten um die autofreie Friedrich-Ebert-Straße am Laurentiusplatz. Gibt Ihnen das eigentlich zu denken?

Schneidewind: „Das hatte ich so erwartet, denn hier geht es ja nicht einfach nur 85 Meter Straße, sondern um einen Paradigmenwechsel: Haben wir den Mut, neu zu denken und Autoverkehr nicht mehr überall für selbstverständlich zu halten? So wie hier auf einem Platz, der ursprünglich ja auch als Platz angelegt wurde, über den man aber lange nicht als möglicherweise autofrei diskutieren durfte. Mit dem einjährigen Experiment haben wir das jetzt glaube ich gut gelöst. Und ich hoffe, dass die erlebbare Aufenthaltsqualität, die das an dieser Stelle bringt, bei ähnlichen Fällen dann zu mehr Selbstverständlichkeit führt.“

Rundschau: Sie sehen eine mögliche Bundesgartenschau 2031 in Wuppertal unter dem Slogan „Circular BUGA“ ebenfalls als Nachhaltigkeitsprojekt. Wie müssen wir uns das eigentlich vorstellen?

Schneidewind: „Eine BUGA macht nur Sinn, wenn man sie als Schaufenster für Veränderungsprozesse begreift, die in Wuppertal in den 20er Jahren stattfinden. Es würden dann 2031 zwei Millionen Menschen zu uns kommen und erleben, was Zirkularität ist, eine konsequente Kreislaufwirtschaft, der Werterhalt von Rohstoffen, Ersatzteilen und Produkten. Sie könnten von der spektakulären Hängebrücke über das Tal auf ein Meer aus Solardächern schauen und viele andere Nachhaltigkeits-Aspekte – zum Beispiel bei der Mobilität - hautnah erleben. Das sind auch schlagkräftige Argumente, die man bei potenziellen Fördergebern und Investoren anbringen kann. Ich finde, dafür sollten wir bereit sein, auch finanzielle Risiken einzugehen. Mich freut, dass die Wuppertaler Wirtschaft diesen Weg mitgeht und dafür einen Förderkreis gegründet hat. Und was die Finanzen angeht: Auch Städte wie Wuppertal müssen in der Lage sein, sich eine BUGA zu leisten. Wenn das in Bund und Land anders gesehen wird, dann soll man das sagen. Wir wären dann auf dem Weg zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft, mit Städten wie Wuppertal, die zwar alle sozialen Probleme für die Gesellschaft schultern, aber keine Zukunftsprojekte mehr entwickeln sollen.“

Rundschau: Im Moment laufen in Berlin die Koalitionsverhandlungen. Welche Beschlüsse würden Sie sich von einer Rot-Gelb-Grünen Regierung im Hinblick auf Wuppertal wünschen?

Schneidewind: „Grundsätzlich sind wir nah dran an den Berliner Prozessen, da werden gerade wichtige Weichen gestellt. Wenn zum Beispiel klar ist, dass wir viel mehr Solardächer brauchen, muss in den Koalitionsverhandlungen gesichert werden, dass Städte wie Wuppertal so etwas finanzieren können. Deshalb muss auch das Problem der kommunalen Altschulden in den Verhandlungen unbedingt voran gebracht werden.“

Rundschau: Apropos Berlin: In Wuppertal kursierten Gerüchte, Sie könnten nach der Bundestagswahl auf einen Posten in der neuen Regierung wechseln … 

Schneidewind: „Es gab zwar Anfragen, ich habe aber klar signalisiert: Ich bin für fünf Jahre gewählt, und viele Menschen haben auf mich gesetzt. Also: Ich bleibe in Wuppertal.“

Rundschau: Sie sind als Oberbürgermeister ohne eigene politische Mehrheit in vielen Bereichen auf Unterstützung aus dem Stadtrat angewiesen. Wie haben Sie diese Situation bisher erlebt?

Schneidewind: „Bisher war das ja eher eine Findungsphase. Der Lackmustest kommt erst in den nächsten Wochen mit den Schlüsselentscheidungen zur BUGA und dem Doppelhaushalt. Ich sehe das als Doppelpass-Spiel in dem der Oberbürgermeister Brücken bauen sollte.“ 

Rundschau: Mit der Flutkatastrophe im Juli stand die Stadt vor einer zusätzlichen, unvorhersehbaren Herausforderung. Hat Sie das aus der Bahn geworfen?

Schneidewind: „Zunächst mal: Ich habe mit Hochachtung und Dankbarkeit erfahren dürfen, wie gut diese Stadt im Krisenmanagement aufgestellt ist und wie die Bürger in Notsituationen mit anpacken. Es wurden schnell Strukturen für Hilfen geschaffen, auch wenn die Situation für die Betroffenen natürlich immer noch schlimm ist. Ich hoffe, dass die Unterstützung von Bund und Land jetzt auch so kommt wie versprochen. Außerdem habe ich eine Taksforce .Hochwasser’ eingesetzt. Grundsätzlich glaube ich, dass sich die Stadtpolitik aber nicht von einem tagesaktuellen Thema zum nächsten treiben lassen kann. Auch deshalb ist das Zukunftsprogramm als Kompass strategisch so wichtig.“

Rundschau: Was haben Sie denn zuletzt ganz konkret strategisch unternommen?

Schneidewind: „Ich war gerade auf der Immobilienmesse ExpoReal in München, um da deutlich zu machen, dass Wuppertal eine Stadt ist, die einen Oberbürgermeister als glaubwürdigen Repräsentanten für Investoren hat. Ich habe auch auf vielen anderen Formaten, auch online, aufgezeigt, dass Wuppertal eine Stadt im Aufbruch ist. Das muss man in Multiplikatoren-Kreisen bekannt machen.“