Prozess vor Landgericht Täter waren im Halbdunkel schemenhaft zu sehen

Wuppertal · In kleinen Schritten versuchte das Wuppertaler Landgericht am Montag (22. Juni 2020) im Entführungsfall eines Oberbarmer Kioskbesitzers, die Täter sicher zu identifizieren - und den Angeklagten als einen Haupttäter zu überführen.

 Das Justizzentrum in Elberfeld.

Das Justizzentrum in Elberfeld.

Foto: Dennis Polz

Am 9. Mai vergangenen Jahres waren eine halbe Stunde vor Mitternacht vier wenig getarnte junge Männer in den Kiosk an der Berliner Straße eingedrungen und hatten den Betreiber als Geisel entführt, um in der Folge ein Lösegeld zu erpressen. Wie die Videoüberwachung in quälend langen sieben Minuten und vier unterschiedlichen Perspektiven zeigte, waren sie zielstrebig durch den Verkaufsraum gegangen und hatten den Mann in einer Ecke des Lagerraums zusammengeschlagen. Auch wenn mit Überlegung mittendrin das Licht ausgeschaltet wurde, wird man aus den Schemen im Halbdunkel sicher den einen oder anderen Täter identifizieren können – unterschiedliche Basecaps und reflektierende Applikationen an den Sneakers werden die Ermittler sicher zuordnen können.

Dass mindestens zwei von ihnen das nach Zeugenaussagen bewusstlose und gefesselte Opfer in einen hellen SUV schleppten und damit unverzüglich davonfuhren, wurde von Passanten übereinstimmend bestätigt. Eine Kollegin aus einem benachbarten Döner-Imbiss und eine weitere Nachbarin, die ihren Vater besuchen wollte, hatten das beobachtet. Der Angeklagte – in den Filmen auf den ersten Blick nur schwer identifizierbar – sagte dazu nichts, obwohl der Richter bereits zu Anfang des Prozesses mit einer geringeren Strafe bei einem Geständnis gelockt hatte. Sein markantes Äußeres könne sicher leicht wiedererkannt werden – was in diesen Videos, von oben gefilmt, einen seiner Anwälte nicht überzeugte. Es gab jedenfalls sehr schnell einen internationalen Haftbefehl gegen ihn, der sieben Monate später an der Passkontrolle des Flughafen Frankfurt vollstreckt wurde. Da war er gerade aus Marokko zurückgekehrt und hatte seinen niederländischen Pass vorgelegt. Betrachtet man das gesamte Puzzle, dürfte aber sicher sein, dass er nur als Helfershelfer in einem größeren Verbund tätig war.

Gefordert und bezahlt wurden sechsstellige Lösegelder, die vom Bruder des Opfers, dem so genannten „König von Oberbarmen“, gerüchteweise nach einem schiefgegangenen Drogendeal gefordert wurden. Dieser Bruder ist mittlerweile in anderer Sache in Haft, nach langer Observation durch eine Sonderermittlung wurde er mit einem Rucksack voller Rauschgift - im Wert von mehr 400.000 Euro – auf einer Kurierfahrt aus den Niederlanden festgenommen. Wie Oberstaatsanwalt Wolf-Tilmann Baumert bestätigte, sind die Ermittlungen in diesem Fall fast abgeschlossen, Man rechnet damit, dass die Anklage bereits in der nächsten Woche verschickt werden kann – das Verfahren könne vermutlich noch in diesem Jahr beginnen.

Die alle interessierenden Fragen über die Zusammenhänge zwischen diesen Verfahren und der Drogenszene am Berliner Platz – die bereits deutlich ruhiger geworden sein soll - können bereits Ende der Woche gestellt werden. Am Freitag (26. Juni) wird das Opfer als Zeuge aussagen, die Gegenüberstellung wird interessant. Vier Wochen später, am 27. Juli, soll der Bruder, der Lösegeldzahler, aus der Untersuchungshaft vorgeführt werden, um ebenfalls als Zeuge vernommen zu werden.

Ob dieser wirklich Erkenntnisse liefert, bleibt abzuwarten.

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