Prozess vor dem Landgericht Nach Geiselnahme wurde um Lösegeld gefeilscht

Wuppertal · Eines war ziemlich schnell klar: Es ging nicht um Schokoriegel oder die Registrierkasse. Stattdessen wurde ein Kioskbetreiber aus Oberbarmen bei seiner gewaltsamen Entführung am 9. Mai des letzten Jahres aus seinem Kiosk heraus zwar das Opfer - aber wohl kaum die Hauptperson in einem bösen Spiel. Die Hintergründe des erpresserischen Menschenraubes versucht jetzt das Landgericht herauszufinden.

Der Angeklagte vor Gericht.

Foto: Mikko Schümmelfeder

Angeklagt ist dort einer der Entführer aus den Niederlanden mit marokkanischer und niederländischer Staatsangehörigkeit. Der 28-Jährige ist in den Niederlanden gemeldet und seit Anfang Dezember nach Deutschland in die Haft überstellt. Das Verfahren gegen einen weiteren Angeklagten wurde kurzfristig abgetrennt.

Zusammen mit weiteren, teilweise noch unbekannten Komplizen hatten sie den Kioskbesitzer am Abend des 9. Mai laut Anklage in seinem Laden überfallen und den sich heftig Wehrenden mit brutalen Schlägen und vorgehaltener Waffe gefügig gemacht. Mit Kabelbindern fixiert, wurde das Entführungsopfer demnach auf dem Rücksitz eines weißen Audi Q nach Rotterdam verschleppt. In einer Lagerhalle musste er dann gefesselt die Nacht verbringen, mit Waffen bedroht. Spätestens bei der Lösegeldforderung über eine halbe Million, die per Satellitentelefon an seinen Bruder, den so genannten „König von Oberbarmen“ übermittelt wurde, war klar, dass hier kein Versehen vorlag. Der Kioskbesitzer sollte augenscheinlich in einem Streit unter Großdealern als Pfand benutzt werden. Die Anklage vermutet, dass die hohe Summe aus einem misslungenen Drogengeschäft tituliert wurde. Er selber aber – so hört man - sei er nicht in der Wuppertaler Dealerszene beteiligt.

Nach heftigem Feilschen einigten sich die Entführer und der Bruder des Opfers dann auf eine Sofortzahlung von 150.000 Euro zur sofortigen Freilassung und weitere 50.000 Euro zehn Tage später. Zur Übergabe wurde der Gefesselte mit verbundenen Augen von Rotterdam aus in eine Gartenlaube in der Nähe der belgischen Grenze gebracht. Mehrfach wurde auf dem Weg dorthin das Fahrzeug gewechselt, mehrfach weitere Geldforderungen gestellt und mehrfach die Modalitäten der Freilassung und der weiteren Zahlungen verhandelt - bis es dann schließlich zur Übergabe kam.

Dass die Entführer kurz darauf von der niederländischen Polizei verhaftet und auch die Geldsumme zum großen Teil sichergestellt werden konnte, hatte einen einfachen Grund: Die Drogenermittler in Deutschland waren mitten in einer anderen bereits laufenden Telefonüberwachung auf die Telefonate der Entführer gestoßen. Der Kreis hatte sich immer enger geschlossen, es gab Videoaufzeichnungen des Ablaufs – sogar mittels einer Drohne – und Fotos der Beteiligten bei der Übergabe. Der heute Angeklagte wurde auch vom Opfer, das zu Prozessbeginn nicht anwesend war, eindeutig identifiziert. Ein Teil der benutzen Fahrzeuge, ein Clio und zwei Trikes, wurde in der Nähe seiner Meldeadresse sichergestellt.

Der Vorsitzende Richter nahm dem Angeklagten gleich jede Hoffnung, sich aus der Sache herausreden zu können. Seine Beteiligung sei eindeutig nachgewiesen. Ein schnelles Geständnis bis zum nächsten Verhandlungstermin am 22. Juni könne ihm einige Jahre Haft ersparen. Zusätzlich wurde die Nebenklage vom Anwalt des Opfers wegen der schweren Verletzungen - unter anderem diverse Brüche und Prellungen – und wegen erlittener Todesangst und immer noch aufkommender Angstattacken um eine weitere Forderung nach 30.000 Euro Schmerzensgeld erweitert.