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Die Wuppertaler Mutmacher 2017: "Warum sollten wir es nicht wagen?"

Die Wuppertaler Mutmacher 2017 : "Warum sollten wir es nicht wagen?"

Als die Chefin ihren Mitarbeitern im Sommer 2015 ankündigt, den Laden schließen zu wollen, geht für sie eine Welt unter. Arbeitslos mit 40 plus — wer soll sie schon noch nehmen? Antwort: Sie selbst!

Eine Geschichte von fünf Angestellten, die den Sprung in die Selbstständigkeit wagten.

Der 5. Juni 2015 war ein sonniger Frühsommertag. Catrin Budde sortierte gerade die Pflanzen, die der Fahrer am Morgen ins Gartencenter geliefert hatte. Auf den Verkaufstischen: Begonien, Gerbera, Orchideen — die mochte sie besonders —, als sie von der Chefin in den Aufenthaltsraum gebeten wurde. Sie wischte sich mit der Handoberfläche eine graue Strähne aus der Stirn und ging die 16 Treppenstufen hinab in den Keller, wo sie in die ratlosen Gesichter der Kollegen blickte. Ihr Magen zog sich leicht zusammen.

Die Ansprache der Chefin war kurz und klar. Der Pachtvertrag des Gartencenters auf Linde würde im nächsten Jahr auslaufen — eine Verlängerung kam für sie nicht in Frage. In die Worte des Bedauerns mischte sich das penetrante Summen einer Fliege, die unermüdlich gegen die Fensterscheibe flog. In ihrem Magen hatten sich mittlerweile zentnerschwere Steinbrocken breit gemacht. Sie würde ihren Job verlieren. Einfach so. Mit Mitte Vierzig. Den Job, den sie so liebte.

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"Es war schon ein Schock", erinnert sich Catrin Budde. "Und auf den folgte erstmal lange nichts." Dass sie heute sehr entspannt an diesen düsteren Moment zurückdenkt, hat sie ihrem eigenen Mut — und dem ihrer Kollegen zu verdanken. "Wir haben uns damals entschieden, das Geschäft selbst weiter zu führen."

Catrin Budde sitzt neben ihrem Kollegen Markus Berger auf einem Sofa, mitten im Gartencenter, das jetzt "Gartenglück Linde" heißt. Es ist jetzt ihr Geschäft. Denn fünf der ehemaligen Angestellten von Amoflor sind nun Geschäftsführer. "Ja", sagt auch Berger, "wir sind sehr froh, dass wir diesen Schritt gegangen sind." Mutig finden sie sich selbst eigentlich nicht. "Einige von uns haben seit der Eröffnung 1992 hier gearbeitet — 23 Jahre lang. Drei sind über 40", erklärt Catrin Budde, selbst 45. "Das ist ein kritisches Alter, da nimmt einen doch keiner mehr." "Außerdem hat die Arbeit immer Spaß gemacht", ergänzt Berger. "Das Kollektiv stimmte einfach — das bekommt man nicht so schnell wieder." Und so gab es für die Fünf nicht viel zu überlegen. Der Laden lief, die Lage war gut. "Warum sollten wir es nicht einfach wagen?"

Zuerst sprachen sie mit dem Verpächter. Schließlich musste er als erstes Vertrauen in die Neu-Unternehmer haben. Er hatte. Dann suchten sie sich einen Steuerberater, erstellten mit ihm zusammen einen Businessplan, suchten das Gespräch mit der Bank. 25.000 Euro Startkapital brachten sie mit; einen Kredit über 250.000 Euro benötigten sie. "Auf fünf Schultern verteilt, ist das Risiko überschaubar", sagt Berger (28). Die Bank jedoch ließ sich Zeit mit ihrer Entscheidung. Eine Nervenprobe. Und schließlich eine Punktlandung. "Wir mussten den Vertrag mit dem Verpächter bis zum 1. Mai unterschreiben — am 28. April kam die Zusage der Bank." Das Abenteuer konnte beginnen.

Fast auf den Tag genau elf Monate nach der Hiobsbotschaft war das Quintett stolzer Inhaber des "Gartenglück Linde". Und krempelte den Laden erst mal um — nach den Wünschen der Kunden. "Wir wussten ja, was die gut oder schlecht fanden", erzählt Catrin Budde. Ein Vorteil. Das Angebot wurde verändert — weniger, aber frische Pflanzen, so lautet jetzt das Motto. Die Eröffnung am 20. August war ein Erfolg. Es gab viel positive Resonanz, sogar von der früheren Chefin. Gerade mal vier Monate ist das her. Und bis jetzt läuft alles rund. Auch untereinander. "Jeder bringt sein Talent mit ein — das hat ja auch früher schon gut geklappt", so Budde. "Und alle Entscheidungen werden mehrheitlich getroffen." Auch das funktioniere problemlos. Im Februar fängt sogar eine neue Kollegin an, neben dem Fahrer ist sie die zweite Angestellte.

Den Schritt in die Selbstständigkeit haben sie bisher nicht bereut. "Wenn man alles genau kalkuliert", sagt Berger, "und es wirklich will, dann kann man das schaffen. Nur Mut!"