„Der Papst spricht Klartext“

Noch vor Weihnachten kritisierte Papst Franziskus mit sehr offenen, markigen Worten seine römische Verwaltung. Rundschau-Mitarbeiter Klaus-Günther Conrads befragte den Wuppertaler Stadtdechanten Bruno Kurth über die Auswirkung auf die 77.000 Katholiken in Wuppertal.

 Stadtdechant Bruno Kurth (re.) im Gespräch mit Kadinal Rainer Maria Woelki beim IHK-Neujahrsempfang.

Stadtdechant Bruno Kurth (re.) im Gespräch mit Kadinal Rainer Maria Woelki beim IHK-Neujahrsempfang.

Foto: Bettina Osswald

In seiner "Festbotschaft" an die römische Kurie der katholischen Kirche hat Papst Franziskus vor Weihnachten ungewöhnlich scharfe Worte, vom "spirituellen Alzheimer" über "Krankheit der Rivalität und Eitelkeit" bis zum "Terrorismus des Geschwätzes" gewählt. Ist Ihnen ein solch päpstlicher Wortschatz mit der Auflistung von 15 "Krankheiten" vorher bekannt geworden und verständlich?

Kurth: Papst Franziskus spricht in seinen Botschaften Klartext, nicht nur bei dieser Weihnachtsansprache, und gebraucht verständliche Vergleiche. So hat er die römische Kurie nach einem Bild des Apostels Paulus mit einem Organismus verglichen. Der muss sich vor Krankheiten hüten, die die lebendige Beziehung jedes Kurienmitgliedes mit Christus und untereinander bedrohen und ihren Dienst, für den sie da sind, schwächen. Das klingt in dieser Deutlichkeit aus dem Munde eines Papstes neu und gewohnt, aber es ist verständlich. Wer Ohren hat, der höre!

War diese Rede Ausdruck eines schwelenden Konfliktes und einer Verzweiflung an der Bürokratie im Vatikan, Mahnung, Alarmsignal, Weckruf oder gar eine Ruckrede? Für alle Amtsträger der katholischen Kirche?

Kurth: Die Adressaten sind die Mitarbeiter der Kurie, und zwar die an der Spitze der verschiedenen Kongregationen, Behörden und Einrichtungen. Das geht aus der Rede deutlich hervor. Ich bin aber nicht gehindert, diesen Gewissensspiegel mir selber vorzuhalten. Erkenne ich in den genannten Krankheiten eigene Schwächen? Der Spiegel funktioniert auch woanders, in einer Gemeinde, in anderen Verwaltungen, sogar in einer Redaktion.

Wie erleben Wuppertaler Priester ihre theologische Zentrale, den römischen Vatikan? Gibt es interne Informationskanäle?

Kurth: Interne Informationskanäle gibt es nur zufällig. Ich verfüge über keine und versuche, mich über die Medien gut zu informieren. In Köln haben wir mit Kardinal Woelki einen Erzbischof, der als Kardinal näher dran ist und gelegentlich berichtet.

Die Kardinäle und Bischöfe im Vatikan gelten als Führungskräfte der katholischen Kirche. Selten bis nie spricht ein Firmenchef in der Öffentlichkeit so drastisch über sein Personal. Müssen, wenn die Missstände so groß sind, personelle Konsequenzen folgen?

Kurth: Nicht zwingend, aber Papst Franziskus hat bisher personelle Veränderungen und Konsequenzen nicht gescheut. Er wird diese weiter vornehmen, wenn er sie in Wahrnehmung seines obersten Leitungsamtes für nötig hält. Sein ganzes Pontifikat zeigt, dass er nicht nur redet. Er lässt sich beraten, aber dann handelt er entschlossen.

Welche Auswirkungen soll aus Ihrer Sicht das päpstliche Donnerwetter für die katholische Hierarchie von Rom über die deutschen katholische Bischofskonferenz und die Bistümer bis zu den Gemeinden vor Ort haben?

Kurth: Ich meine, dass diese Ansprache nicht nur ein vorübergehendes Donnerwetter war, das verzieht und dann wieder eitel Sonnenschein herrscht. Ich hoffe, dass Papst Franziskus die katholische Kirche, und als deren wichtigen Teil die Kurie in Rom und den Vatikan, im Geiste des Evangeliums weiter reformiert und glaubwürdig ausrichtet. Es muss um Christus und die Menschen gehen, besonders die in Not. Das bleibt eine beständige Aufgabe aller Ebenen unserer Kirche bis in die Gemeinden hinein.

Wie darf sich ein Laie diese Hierarchie vorstellen? Vom Papst wurde Rainer Maria Kardinal Woelki 2014 mit der Leitung des Erzbistums Köln beauftragt. Erhalten Sie von ihm oder dem zuständigen Weihbischof Weisungen? Wie funktioniert die organisatorische und pastorale Zusammenarbeit mit den Pfarrern der Wuppertaler Gemeinden?

Kurth: Vor Ort haben wir kollegiale Zusammenkünfte und Beratungen. Weisungen, die sehr selten sind, kommen eher vom Generalvikariat, als von den Weihbischöfen, mit denen sie abgestimmt sein sollten. Vom Priesterrat oder der Konferenz der Stadt- und Kreisdechanten gebe ich Informationen weiter. Chef von Allem ist der Erzbischof.

Ist die Neuausrichtung der Gemeinden in Seelsorgebereichen abgeschlossen? Dauerhaft erfolgreich?

Kurth: "Dauerhaft erfolgreich" wohl nie. In nächster Zeit erwarte ich für Wuppertal keine gravierenden Änderungen in den Zuschnitten der Seelsorgebereiche. Weder Gemeinden und schon gar nicht Seelsorgebereiche sind jedoch unveränderbar. Intern aber können wir einiges verbessern, die Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden und den anderen Diensten und Einrichtungen, die nicht an eine Gemeinde gebunden sind, wie Caritas, Notfallseelsorge und Friedhofsverwaltung.

Welche Ziele verfolgt die katholische Kirche 2015 in Wuppertal?

Kurth: Weiter als Kirche für die Menschen da sein, den christlichen Glauben und das Evangelium bezeugen. Besonders freuen wir uns auf die Eröffnung des Kinderhospizes, ein großes ökumenisches Projekt, das ja mit breiter Unterstützung der Bevölkerung verwirklicht wird. Mit dem Jahr der Orden machen wir auf die Ordensleute, vor allem Schwestern, und ihren Einsatz hier in Wuppertal aufmerksam. Wieder ökumenisch ist das 50-jährige Jubiläum der Telefonseelsorge. Im Erzbistum wollen wir für Flüchtlinge eine offene und gastfreundliche Kirche sein. Das passt zu Wuppertal.

Ist von der deutschen Bischofskonferenz wirklich geplant, dass wieder verheiratete geschiedene Katholiken nur dann zur Kommunion zugelassen werden sollen, wenn sie unschuldig geschieden wurden? In Deutschland gibt es bei Scheidungen seit 1977 kein Schuldprinzip mehr. Wie sollen das Priester und Kommunionhelfer vor Ort entscheiden?

Kurth: Das können wir vor Ort gar nicht entscheiden. Wie auch immer dieses dringende menschliche und pastorale Problem gelöst wird, das zivile Verständnis der Ehe und der Ehescheidung, für das zurecht im Staat das Zerrüttungsprinzip maßgeblich ist, ist von der kirchlichen Sicht zu unterscheiden. Wir verstehen die gültige Ehe unter Christen als Sakrament und durch das Wort Jesu Christi ermutigt und geschützt.

Bleibt es dabei, dass geschiedene Katholiken nicht ein zweites Mal heiraten dürfen?

Kurth: Das ist nicht so einfach zu beantworten, denn jetzt schon ist das in verschiedenen Fällen und gar nicht so selten möglich, wenn die erste Ehe nicht gültig war. Ebenso drängend ist die Frage nach der Anerkennung einer weiteren zivilen Ehe und der Teilnahme der Eheleute am kirchlichen Leben bis zum Empfang der Sakramente.

Haben Sie eine persönliche Meinung?

Kurth: Ja. Die gültige christliche Ehe ist ein einmaliges, kostbares Sakrament. Das bleibt. Daraus folgt, dass wir in der Seelsorge und Vorbereitung auf die Ehe noch viel mehr tun sollten. Für die ein weiteres Mal nach einer Scheidung zivil verheirateten Mitglieder der Kirche sollten die bisherigen kirchlichen Regelungen überdacht und geändert werden.

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