Wahrheitsdruck

Der Schlüsselsatz ist für mich: "RTL fordert Vitesca auf, gemeinsam das Videomaterial anzusehen." Nur dann, wenn sich ein Ertappter überführt sieht, hat er ein Interesse, den für ihn unerträglichen Videobeweis abzulehnen.

Es wäre nicht das erste Mal, dass die Hand des angeblichen Verleumders aus Köln vom Überführten ausgeschlagen wird.

Eine zweite Schlussfolgerung bietet sich an, denn Wallraff und mächtige Mainstream-Medien wie RTL sind von Hause aus eigentlich so etwas wie natürliche Feinde. Tun sie sich überraschend zusammen, wie im vorliegenden Fall, muss ein erheblicher Wahrheitsdruck der Grund sein.

Die Qualität der Pro-Vitesca-Argumente auf der Gegenseite spricht Bände. Da verlegt man sich vom Thema Essensqualität plötzlich auf das Ausspielen der Arbeitsplatzkarte, obwohl bei einem derartigen Markt mit konstanter Nachfrage garantiert Fachkräfte von der Konkurrenz gesucht werden. Natürlich sind die Gekündigten auch Opfer, aber nicht des Herrn Wallraff, sondern ihrer Firma.

Mein dritter Punkt betrifft die Qualität behördlicher Kontrollen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man mit Vorliebe prüft, ob Kellerräume von Vereinen und Gaststätten komplett gekachelt sind, wenn dort Getränkekisten stehen. Anders formuliert: Es gibt ein vitales behördliches Interesse, kleine schwache Betriebe wie Kioske oder Vereinshäuser mittels Bußgeldern einzuschüchtern, während man die Anwälte großer Firmen eher fürchtet. Daher meine Skepsis beim behördlichen Argument, zu einem anderen Zeitpunkt wären Kontrollergebnisse einwandfrei gewesen.

Rolf Schneider, Stahlsberg

(Rundschau Verlagsgesellschaft)
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