Im "Untergrund" wird’s affengeil

Wuppertal · Mit "Underground IV" gelang dem Tanztheater Pina Bausch und Gästen eine mitreißende zweistündige Performance-Collage, mit der das Schauspielhaus kurzfristig wieder zum Leben erweckt wurde.

 Szenenfoto aus „Underground IV“: Die Tänzerinnen Blanca Noguerol Ramirez und Tsai-Wei Tien werden von Andrey Berezin und (s)einer riesigen Windmaschine durchs Foyer des Schauspielhauses getrieben.

Szenenfoto aus „Underground IV“: Die Tänzerinnen Blanca Noguerol Ramirez und Tsai-Wei Tien werden von Andrey Berezin und (s)einer riesigen Windmaschine durchs Foyer des Schauspielhauses getrieben.

Foto: Karl-Heinz Krauskopf

Besucherschlangen vor dem Schauspielhaus, das hat es lange nicht mehr gegeben. Jetzt kehrte für immerhin vier ausverkaufte Vorstellungen das Tanztheater in den Graubner-Bau zurück, spielte im und mit den Räumlichkeiten an der Bundesallee einen Tanztheaterabend, bei dem auch das Publikum von acht bis 80 in Bewegung blieb.

Mit "Underground IV" hat ein künstlerisches Experiment (Konzept und Beratung Rainer Behr und Mark Sieczkarek), das mit "Underground I" eigentlich nur als Highlight in der Jubiläumsspielzeit "PINA 40" gedacht war, eine Form gefunden, die zu einem festen Bestandteil des Spielplans werden sollte. Hier zeigen die Tänzer und Tänzerinnen der Compagnie sowie ihre Gäste, welch großes kreatives Potenzial in den eigenen Reihen zu finden ist. Mit den Musikern Maik Ollhoff und Jonas David sowie dem Schauspieler Uwe Dreysel hat man kongeniale Partner gefunden, was Vernetzung in die Szene dokumentiert. An der musikalischen Gestaltung des Abends ist Maria Basel maßgeblich beteiligt.

Los geht's gleich hinter dem Notausgang, wo sich Ophelia Young mit Rasenteppich und Blümchen eingerichtet hat, sich lasziv auf dem Boden räkelt, während ein Geiger dazu spielt.

Gleichzeitig balancieren Mark Sieczkarek und Andrey Berezin mit verbundenen Augen um die Wasserbecken im mittlerweile verwilderten Innenhof des Schauspielhauses. Acht kurze Installationen, bei denen Tänzer und Tänzerinnen kurze Sequenzen in Nischen und Ecken des Foyers zeigen, stimmen zu Beginn auf den Abend ein. "Paar mit Hund" nennen Nazareth Panadero und Michael Strecker ihren tänzerischen Geschlechterkampf, der noch nah dran an den Choreographien von Pina Bausch ist. Doch schon stürmt Emma Barrowman ins Geschehen, entert die alte Garderobe, rennt gebückt über den Tresen, sucht ihre Schlüssel.

"Rasenmäher MixUp" persifliert eine Talkshow, sorgt für ungewöhnliche Bilder und zeigt Uwe Dreysel als arroganten Talkmaster. Zuletzt lassen sich die Tänzer Jan Möllmer, Gala Moody, Blanca Noguerol Ramirez, Mark Sieczkarek, Julian Stierle, Tsai-Wei Tien und Tsai Chin Yu von Andrey Berezin und seiner riesigen Windmaschine durchs Foyer treiben, bevor Cagdas Ermis als trauriger Clown die Zuschauer zumindest filmisch mit in den gesperrten Teil des Schauspielhauses nimmt.

Temporeich, witzig, dann wieder poetisch und berührend fasziniert diese Szenen-Collage von der ersten bis zur letzten Minute. Dazu kommt die tolle Live-Musik von Maik Ollhoff und Jonas David, die mal die Bässe wummern lassen, jedoch auch dem Schlagzeug leise Töne entlocken können.

Und bei allem tänzerischen und akrobatischen Können steht ein weiterer Mitwirkender im Mittelpunkt des Geschehens — das Schauspielhaus. Den Machern von "Underground IV" ist es gelungen, die vielfältigen Möglichkeiten, die das Haus bietet, sichtbar zu machen. Hoffentlich ein Vorgeschmack auf die Zukunft.

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