„Ariadne“-Vorspiel trifft „Herzog Blaubarts Burg“ Trotz allem ein großer Opernabend

Wuppertal · Szenisch ist die Kombination aus dem „Ariadne“-Vorspiel und „Herzog Blaubarts Burg“ ein Flop, aber das Dirigat von Patrick Hahn darf man sich auf gar keinen Fall entgehen lassen.

 Komponist (Catriona Morison) und Komödiantin (Anne Martha Schuitemaker) kommen sich im Vorspiel zu „Ariadne auf Naxos“ nahe – und damit auch Tragödie und Komödie. 

Komponist (Catriona Morison) und Komödiantin (Anne Martha Schuitemaker) kommen sich im Vorspiel zu „Ariadne auf Naxos“ nahe – und damit auch Tragödie und Komödie. 

Foto: Björn Hickmann

„Ariadne auf Naxos“ ist ein merkwürdiges Stück. Richard Strauss hat der eigentlichen (ziemlich kurzen) Oper ein rund 45-minütiges „Vorspiel“ vorangestellt, das die Vorbereitungen der Aufführung „im Palais des reichsten Mannes der Stadt“ zeigt. Da hinein platzt die Nachricht, dass der Mäzen parallel zur pathetischen Oper auf derselben Bühne eine Farce der Komödianten sehen möchte, auf das die „wüste Insel“ Naxos ein wenig unterhaltsamer werde.

Daraus entspinnt sich ein ziemlich geistreicher Disput über Kunst und Geld, aber auch über Liebe und Treue. Der setzt sich dann auf anderer Ebene in der eigentlichen Oper fort. Die aber ist in Wuppertal gar nicht zu sehen, denn vermutlich zum ersten Mal wird allein das Vorspiel aufgeführt, und darauf scheint man bei den Wuppertaler Bühnen mächtig stolz zu sein.

Warum eigentlich? Es wäre doch reizvoll gewesen, das komplette Werk zu erleben. Stattdessen folgt nach der Pause „Herzog Blaubarts Burg“. Eine solche Novität liest sich vermutlich gut in der Vita des Intendanten. Aber darüber hinaus?

Es ist nicht einmal dasselbe Regieteam, das einen Sinnzusammenhang stiften könnte. Am „Ariadne“-Vorspiel versuchen sich Bernd Mottl (Regie) und Friedrich Eggert (Ausstattung), setzen eine etwas zu überdrehte, etwas zu bunte, etwas zu unlustige Theatergesellschaft in den leeren Raum und wickeln das Spiel leidlich unterhaltsam ab. Der Komponist (großartig mit flammendem Mezzosopran: Catriona Morison) und Komödiantin Zerbinetta (sehr attraktiv, aber mit eher kleiner Stimme: Anne Martha Schuitemaker) kommen sich allzu schnell näher, das haben Strauss und Librettist Hugo von Hofmannsthal sich sicher subtiler vorgestellt.

Konterkariert wird das heiter-harmlose Spiel von fünf riesigen Buchstaben NAXOS, gebildet aus Ölfässern, aus Plastikflaschen, aus stacheldrahtbewehrten Gittern – und (das „O“) einem Schlauchboot. Das erinnert uns daran, dass die Mittelmeerinsel Naxos heute für Menschen auf der Flucht steht. Ein mahnender Zeigefinger, der dem Stück einen doppelten politischen Boden gibt? Eher hält hier eine der großen Katastrophen unserer Zeit als belangloses Dekor her.

Es sind das ausgezeichnete Wuppertaler Sinfonieorchester und das sensationelle Dirigat von Patrick Hahn, die das Werk aus Belang- und Geschmacklosigkeit erretten, denn Hahn verbindet einen flüssigen Parlando-Ton ungemein elegant mit dem Strauss’schen Pathos, dass es braucht, um dem Vorspiel Gewicht zu geben.

Und beinahe noch besser gelingt der Orchesterpart in „Herzog Blaubarts Burg“ – hoch konzentriert und von drängender Intensität. Wegen des Dirigenten und des Orchesters ist es trotz allem ein großer Opernabend.

Szenisch wird man in Bartóks Oper nämlich leider noch ärgerem Blödsinn ausgesetzt. Eigentlich empfängt der Herzog seine junge Frau Judith, die ihn die sieben verschlossenen Türen der düsteren Burg öffnen lässt. Bei Philipp Grigorian (Regie, Bühne) und Vlada Pomirkovanaya (Kostüme) mutiert Judith (eindringlich: Khatuna Mikaberidze) zu Blaubarts Tochter. Bei der Mutter aufgewachsen, besucht sie ihren sterbenden Vater, und statt der Türen öffnet man Fotoalben und alte Briefe.

Das wäre ja ein ganz interessanter Ansatz, wenn es nicht so wichtigtuerisch und gleichzeitig so hilflos inszeniert wäre, dass der Text der Übertitel geändert werden muss. Ungarisch versteht sowieso kein Mensch, hat man sich wohl gedacht, da machen wir kurzerhand textlich alles passend, was stört. Von besonderem Respekt vor dem Publikum zeugt das, freundlich formuliert, nicht.

Derweil verstirbt Blaubart (solide, aber wenig dämonisch: Ralf Lukas) zur Hälfte des Stücks und singt wie ein Springteufel aus dem Jenseits weiter, während die Verwandtschaft (und das Publikum) überrascht feststellt, dass er zwar mit offenbar sehr unschönen Methoden ein sagenhaftes Vermögen angehäuft hat, aber eigentlich doch ein guter Kerl ist.

Zum Schluss finden sich Judith, deren Mutter, eine weitere Gattin Blaubarts und sogar Blaubarts Mutter zu einer gemütlichen Tasse Tee ein.

Da wäre die komplette „Ariadne auf Naxos“ auf ihrer wüsten Insel allemal interessanter gewesen.

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