Nach Toreschluss — die Wochenendsatire Klassischer Stockfehler

Wuppertal · Zugereiste haben es in Wuppertal wirklich nicht immer leicht. Das wurde mir klar, als ich neulich in dem schmalen Durchgang zwischen Wall und Wirmhof stand. Dort hat der jüngst am Wall neu eröffnete Textildiskonter KiK seinen Büroeingang, den er vorbildlich mit einem großen Adress-Hinweis beschriften ließ.

 Roderich Trapp.

Roderich Trapp.

Foto: Bettina Osswald

"Stockgasse 4" steht da drauf.

Nun wissen nicht nur Menschen, die das Elberfelder Straßenverzeichnis mit der Muttermilch aufgesogen haben, dass diese 40 Meter lange Fußgänger-Löw genau genommen "Stocksgasse" heißt. Für Wuppertaler ist das relativ logisch: Weil hier nämlich im 19. Jahrhundert die Familie Stock gewohnt hat, ist dat die Gasse vonne Stocks. Also die Stocksgasse.

Die KiK-Zentrale, die in diesem gut durchorganisierten Konzern mutmaßlich auch die Produktion von Türbeschriftungen in ihren Filialen steuert, sitzt allerdings in Bönen. Das liegt am Übergang zwischen dem Kreis Unna und der Soester Börde — eine Gegend, über die wir ähnlich wenig wissen wie etwa über die McDonald-Inseln. (Zur Info: Das ist kein neues Ladenkonzept einer Fast-Food-Kette, sondern ein australisches Außengebiet im südlichen Indischen Ozean).

Bönen geht es umgekehrt mit Wuppertal wahrscheinlich genauso. Deshalb werden die zuständigen KiK-Aufschriftproduktionsmitarbeiter auch keinen Zweifel daran gehabt haben, dass sich die Leute vor Ort vertan haben müssen, als sie als Wuppertaler Adresse "Stocksgasse 4" durchgaben. So wurde das "s" gestrichen und ein klassischer Stockfehler produziert ...

Auch unsere Ortsbezeichnungen sind für Auswärtige lebensgefährlich. Sie kennen sicher auch die Schockstarre, die uns erfasst, wenn ein Zugereister ganz stolz sagt, dass er jetzt Barmener ist. Oder wir wieder den Radio-Werbespot hören, in dem der Sprecher mit inbrünstig-kölscher Betonung auf der zweiten Silbe sagt, dass es in Wuppertal-Oberbarmen ein tolles Geschäft gibt. Erzählt uns dann auch noch jemand, dass er am Alter Markt in die Schwebebahn eingestiegen und bis Warresbeck gefahren ist, dann wissen wir, dass dieser Mensch dringend Wuppertal-kundlich an die Hand genommen werden muss.

Wobei viele Dinge ja sehr einfach zu lernen sind. So hat der Wuppertaler zum Beispiel weite Teile der hochdeutschen lokalen Präpositionen (also sowas wie zu, zur, zum, nach und so weiter) durch nur zwei Begriffe ersetzt: "nam" und "nache". Der echte Wuppertaler geht erst nam Kaufhof, dann nam Wollwocht und dann nam Rossmann, ehe er noch nache Post muss.

Hätte er gewusst, wie lange da die Schlange ist, hätte er das Paket aber lieber direkt zu Fuß nam Empfänger gebracht. Jetzt schafft er es gar nicht mehr nam WSV, obwohl der dringend Zuschauer braucht, damit er nicht nam Insolvenzrichter gehen muss.

Der echte Wuppertaler wird aber auf jeden Fall eben noch rauf nam Akzenta laufen, eine Tüte Buchstabendsuppe kaufen und da ein kleines "s" rausholen, mit dem er nam KiK geht und es da an die Eingangstür in der Stocksgasse klebt. Wuppertal ist schließlich für seine Willkommenskultur berühmt.

Nur Bönen werden wir nie kennen lernen. "Nam Bönen" oder "nache Bönen" geht nämlich irgendwie nicht ...

Bis die Tage!

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