Kommentar: 2020 hat Friedrich Engels 200. Geburtstag Setzen wir Engels in den Sand?

Wuppertal · Zweieinhalb Jahre — das ist ja noch lang hin ... Kommt drauf an. Im Stadtentwicklungsausschuss gab' es eine Vorstellung dessen, was Wuppertal vorhat, wenn 2020 die Stadt (und hoffentlich viel mehr) im Zeichen des 200. Geburtstages von Friedrich Engels steht.

 Rundschau-Redakteur Stefan Seitz.

Rundschau-Redakteur Stefan Seitz.

Foto: Bettina Osswald

Dass der Einbau einer Glasverbindung zwischen Engelshaus und Museum für Frühindustrialisierung erst im Herbst 2020 fertig sein wird, sorgt bereits für Zähneknirschen. Dass es (wieder mal) keinen Architektenwettbewerb für dieses Gebäude gibt — davon mal ganz zu schweigen. Argument: Keine Zeit... Oh weh!

Hier geht's um viel mehr als um die Frage, ob Wuppertal es schafft, im Geburtsjahr seines weltweit bekanntesten Sohnes halbwegs pünktlich einen barrierefreien Glasriegel zwischen zwei Gebäude zu setzen. Schauen wir mal nach Trier, wo im nächsten Jahr für etwa sechs (!) Millionen Euro quasi die ganze Stadt im Zeichen von Karl Marx und dessen 200. Geburtstag steht. Das wird dazu führen, dass im wahrsten Sinn des Wortes die Welt nach Trier blicken wird.

Und Wuppertal? Wird es innerhalb von etwa drei Jahren noch möglich sein, eine anständige, neue Museums- und Ausstellungskonzeption auf die Beine zu stellen, die die Bedeutung Engels' im Vergleich zu Marx ins korrekte Licht setzt? Eine lebendige Konzeption, die die multimedialen und interaktiven Erfordernisse des 21. Jahrhunderts im Blick hat, um Besucher aller Generationen nach Wuppertal zu locken? Und nicht nur die, die gern mit offenem Mund vor irgendwelchen Gipsbüsten und meinetwegen der historischen Bartschere des Marxismus-Miterfinders stehen ...

Wuppertal hat in Sachen Industrialisierung richtig viel zu bieten — und Friedrich Engels gehört da mitten hinein. Dass frühere und heutige Stadtspitzen dieses Thema voll auf dem Schirm (gehabt) hätten, kann man weiß Gott nicht sagen. Dass 2020 kommt, wusste man auch schon vor fünf, sechs Jahren. Und so lang etwa braucht man, um (in Ruhe!) eine professionelle Museums- und Ausstellungskonzeption für ein wichtiges Thema mit regionaler und bundesweiter Strahlkraft auf die Beine zu stellen.

In Trier beispielsweise rechnet man selbstbewusst damit, dass der millionenschwere städtische Eigenanteil an der dortigen Marx-Ausstellung zu zwei Dritteln allein durch die Besuchereintrittsgelder refinanziert wird. Wird Wuppertal, wo im Bewusstsein der Stadt die weltbekannte "Marke" Engels (so ehrlich muss man sein) fast überhaupt keine Rolle spielt, es ähnlich krachen lassen (können), um an solche Erfolge überhaupt denken zu dürfen?

Die Zeit ist schon knapp. Der Eindruck, den der zuständige Kulturdezernent & Co. im Stadtentwicklungsausschuss vermittelte, war nicht optimal. Die Stadt muss sehr bald ran an das Thema, das schon viel zu lang in irgendwelchen (wessen?) Schubladen dümpelt. Die Stadt muss das, weil sie sich selbst und ihrer Identität damit nützt. Nicht etwa nur deswegen, weil überall von irgendwelchen chinesischen Besucherströmen die Rede ist. Die sind schön und gut, aber nicht das, worum es wirklich geht.

Stadt, Land, Politik (SPD!!!), Gewerkschaften, Wissenschaft — allen muss die Bedeutung von Engels, das Diskussions- sowie Ausstellungsmagneten-Potenzial, das in ihm steckt, klar sein. Das 200. Geburtsjahr beginnt nicht erst im Herbst! Wenn Wuppertal das in den Sand setzt, macht die Stadt sich zur Lachnummer. Was tun? So heißt ein Roman von Lenin ...

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